Die Wohltäter: Roman (German Edition)
werden es auch nicht mehr sein. Ich begreife nichts. Møller wurde übrigens verhaftet.«
»Warte. Was sagst du da? Sie haben den Text nicht veröffentlicht?« Emil räusperte sich. »Aber warum denn nicht?«
»Weil es den Menschen im ganzen Land schlecht geht. Und weil sie nichts mehr über HHH hören wollen.«
»Das verstehe ich nicht. Das klingt doch verdammt merkwürdig. Werden sie ihn denn morgen bringen?«
»Nein. Nie, sagt Strömmer.«
»Wir besprechen das in der Morgensitzung. Man kann doch immer fragen, wie sie sich vorstellen ...«
»Nein«, unterbrach Ninos ihn. »Ich kann das alles nicht mehr hören. Hauptsache, sie haben Møller.« Und es steckt viel mehr dahinter, dachte Ninos, ohne es Emil gegenüber laut zu sagen.
»Aber, was können wir denn dann tun?«, fragte Emil, der nun ernsthaft wach wurde.
»Du musst zum Chefredakteur gehen und ihn zur Rede stellen. Auf mich werden sie nicht hören, sagt Strömmer. Aber du bist Angestellter.«
Emil verstummte.
»Das kann ich nicht machen«. antwortete er dann.
»Warum nicht?«
Emil holte tief Luft und klang gequält, als er antwortete. »Zum Teufel, Ninos. Das musst du doch verstehen. Ich habe Familie. Ich kann nicht damit anfangen, herumzumäkeln und zum Chefredakteur zu gehen.«
»Das kann man doch wohl, wenn man angestellt ist, oder? Du könntest ihm damit drohen, aufzuhören. So funktioniert das System doch? Dass man sagt, was man denkt.«
»Ja, das könnte man meinen.«
»Aber nicht da, wo du arbeitest?«
»Komm schon«, sagte Emil irritiert. »So was passiert manchmal – dass der Herausgeber eingreift und etwas anderes einschiebt. Es ist besser, wir warten. Es gibt sicher eine Erklärung. Das kannst du nicht von mir verlangen.«
Kann ich wohl, dachte Ninos, sagte jedoch nichts. Dann fielen sie eine Weile in Schweigen.
»Wie haben sie Møller gefasst?«, fragte Emil am Ende.
»Ich habe ihnen die Flugroute geschickt.«
»Aber Ninos. Wir haben doch schon über die Sache mit Journalisten und Objektivität gesprochen. Und jetzt hilfst du der Polizei bei einer Verhaftung«, sagte Emil misstrauisch.
»Ich habe ihnen auch Kopien all unserer Dokumente zukommen lassen«, antwortete Ninos trotzig. »Nur so konnten sie ihn zur Fahndung ausschreiben.«
»Du hast der Zeitung versprochen, es nicht zu tun.«
»Ja. Und sie hat uns versprochen, den Artikel zu publizieren, der jetzt begraben wurde. Es scheinen überhaupt keine Regeln mehr zu gelten. Habe ich recht?«
»Das ist nicht meine Schuld, Ninos«, sagte Emil empört. »Du kannst mich nicht für alles verantwortlich machen.«
»Das mache ich auch nicht«, erwiderte Ninos leise und fragte sich, warum Emil bereits begann, die Schuld von sich zu schieben, bevor man ihn überhaupt anklagte.
Als Ninos aufgelegt hatte und zum dritten Mal eine Runde um den Odenplatz drehte, rief Flemming Kragerup erneut an. Er wollte gratulieren und über die Verhaftungsaktion von Interpol berichten, aber Ninos konnte sich nicht zurückhalten und musste ihm vom Verrat durch die Morgenzeitung berichten.
Kragerup wunderte sich.
»Das hätte ich nicht von ihnen gedacht«, sagte er nachdenklich. »Aber jetzt, wo Sie es sagen ...«
»Was meinen Sie?«
»Ich habe lange mit meinem Freund bei Interpol gesprochen. Er hat mir einige Dinge berichtet, die etwas über unseren Fall hinausgehen. Ich sagte ihm, er müsse seine Informationen ein wenig mit uns teilen, da wir ihm die ganze Zeit geholfen haben.«
Flemming Kragerup holte Luft und begann zu erzählen. Es sei eine alte Geschichte, sagte er.
In den frühen siebziger Jahren hatte die deutsche Polizei Hinweise von einem Mann erhalten, der ihnen Dokumente übergeben wollte. Er behauptete, sie enthielten Beweise für Wirtschaftsverbrechen in einer deutschen, ehrenamtlichen Wohltätigkeitsorganisation, die in Dänemark gegründet worden war. Nachdem der Fall an die Staatsanwaltschaft übergeben worden war, hatte der Mann um Personenschutz gebeten, den man ihm auch versprach, wenn er im Gegenzug tatsächlich Dokumente zur Verfügung stellte, die seinen Bericht stützten. Sein Name war Jürgen Mahlow. Wegen seines speziellen Hintergrunds hatte die Staatsanwaltschaft lange gezögert. Mahlow hatte Verbindungen zu linksradikalen Gruppen, die damals eine ernste Bedrohung des Staates darstellten. Doch kurz vor der Übergabe hatte Mahlow seine Meinung geändert und alle Aussagen zurückgenommen, die er vorher zu Protokoll gegeben hatte. Ohne die Dokumente konnte man nichts
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