Die Wohltäter: Roman (German Edition)
er an den Engländer denken und schämte sich ein wenig.
Als sie zurück nach Stockholm fuhren, war es bereits dunkel. Ingrid fuhr etwas schneller als erlaubt.
»Du hast recht, Ninos. Die Journalisten sind schlecht«, sagte Ingrid unvermittelt.
Er sah sie verwundert an, während sie fortfuhr: »In all den Jahren ist es ihnen nie gelungen, sein Imperium zu entlarven, und ich kann keinen anderen Grund dafür finden, als dass sie sich nicht genügend Mühe gegeben haben.«
»Du meinst Møllers Imperium?«
»Ja, ich fasse es einfach nicht. Es sind so viele Menschen ausgestiegen, in Dänemark und im Ausland gab es ein solch großes Inter esse an der Bewegung. Die dänische Polizei hat mehrmals versucht, ihnen auf die Schliche zu kommen, aber es ist ihr nicht gelungen. Das kann doch wohl nicht unmöglich sein.«
»Und wie sollte man es stattdessen angehen?«
»Es besteht eine geringe Chance, Møller durch HHH und seine geschäftlichen Aktivitäten zu stellen. Zu beweisen, dass sie Geld hinterziehen«, sagte Ingrid. »Sicher wird er das sogar zu seinem Vorteil nutzen. Und eine Veranstaltung nach der anderen darüber abhalten, wie die böse kommerzielle Welt, angeführt von den Journalisten, den Ausbildern schaden will.«
Sie wirkte nachdenklich. »Er wird seine Mitglieder dazu bringen, noch härter zu arbeiten, nachdem sie einmal mehr wahrgenommen haben, dass die Welt da draußen eine Bedrohung für sie darstellt. Aber je mehr ich darüber nachdenke, so etwas in einer großen Zeitung zu veröffentlichen, desto überzeugter bin ich davon, dass es genau das Richtige ist.«
Sie passierten Nyköping. Ninos kam es vor, als führte Ingrid Selbstgespräche. »Der Kern besteht darin, dass die Ausbilder eine bekannte Sekte sind, die den guten Willen ihrer Mitglieder ausnutzt, und das HHH außerdem eine anerkannte Wohltätigkeitsorganisation ist. Wenn wir die Menschen dazu bringen, den Zusammenhang zwischen beiden zu erkennen, sind wir schon auf einem guten Weg, weil wir ihnen dann einen Teil der Einnahmen entziehen.«
»Kennst du jemanden, der immer noch dabei ist?«
Ingrid wählte ihre Worte sehr bewusst. »Ich habe einen sehr alten Freund, mit dem ich jahrelang nicht gesprochen habe. Er weiß, was dort vor sich geht, und er steht ihnen sehr nah. Es wäre zu gefährlich für ihn, uns Beweise zu liefern, aber er kann uns erklären, wie alles funktioniert.«
Sie dachte eine Weile nach.
»Wir müssen unsere Vorgehensweise gut überlegen. Bevor du bei einer Zeitung anklopfst, musst du mehr Beweise sammeln. Ich werde dir dabei helfen. Møller ist zu groß und zu mächtig, und er wird alles tun, um dich aufzuhalten, aber wenn wir zu dritt sind, du, ich, mein Informant plus Beweismaterial, dann können wir ihn zwar vielleicht nicht aus dem Weg räumen, ihm aber wenigstens ernsten Schaden zufügen.«
Ninos lachte. Sie klang wie Zoran.
»Aber Ingrid. Warum soll ausgerechnet ich das übernehmen? Natürlich will ich etwas gegen HHH unternehmen, genau wie du. Und ich verstehe auch den Ansatz über den Journalismus. Aber ich bin nun mal kein Journalist.«
Als Kind hatte Ninos einmal die Morgenzeitung ausgetragen, das hatten die meisten in seiner Familie in ihren frühen Jugendjahren getan. Aber er hatte die Zeitung nie besonders sorgfältig gelesen. Manchmal hatte er ein wenig darin geblättert, fand sie aber relativ unengagiert und sprachlich kompliziert. Er verstand jedoch immerhin, dass es ein gewisses Prestige darstellte, eine Tageszeitung zu lesen.
»Also braucht man dafür nicht studiert zu haben?«
»Keinesfalls.« Sie klang überzeugt. »Die Zeitungsredaktionen sind zwar voll mit ausgebildeten Menschen, aber ihr drängendstes Problem ist der Mangel an Ideen. Meistens hocken sie nur in der Redaktion und treffen nicht sonderlich viele Menschen. Deshalb haben die meisten auch keine Ahnung, worüber sie schreiben sollen. Keine Redaktion würde eine gute Idee ablehnen, aus der eine Enthüllungsstory werden könnte.«
»Woher weißt du das alles?« Offenbar hatte er etwas nicht mitbekommen.
Ingrid ließ ihren Blick kurz von der Straße abschweifen und sah ihn an. »Du weißt noch nicht einmal, was ich eigentlich mache.« Sie streckte ihren Hals ein wenig. »Ich bin Redakteurin bei Akkurat , einer Zeitschrift mit kulturellen und gesellschaftlichen Themen.«
Ninos verstand den Sinn einer solchen Zeitschrift nicht genau. »Aber warum sagst ausgerechnet du mir dann, dass ich Journalist werden soll – wo du doch sowieso
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