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Die Wolke

Die Wolke

Titel: Die Wolke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gudrun Pausewang
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einzunicken begannen. Dabei strickte sie.
    »Wenn man das so sieht«, meinte Reinhard, »könnte man meinen, die Welt sei wieder heil.«
    »Dann müßte sich hier noch ein drittes Kind tummeln«, sagte Almut traurig.
    »Und ein viertes, und ein fünftes«, sagte Janna-Berta.
    »Der ganze Hang, das ganze Tal voller Kinder«, sagte Paps. »Und Erwachsene bis hin zum Horizont.«
    »Die Zukunft nicht zu vergessen«, sagte die Großmutter und rückte sich die Brille zurecht. »Die Zukunft müßte sich darüber ausbreiten, tiefblau und endlos, mit weißen Federwolken darin.«
    Ihre Nadeln klapperten.
    »Was wird das?« fragte Janna-Berta und strich über das zarte, weiße Wollmuster.
    »Eine Überraschung«, antwortete die Großmutter und blinzelte sie durch die dicke Brille an. »Für dich.«
     
    In dieser Nacht träumte Janna-Berta von ihren Eltern. Die saßen, heimgekehrt nach langer Abwesenheit, mit ihr zusammen auf den Stufen des Wochenendhauses und beobachteten den Sonnenuntergangshimmel, und Janna-Berta versuchte vergeblich, sich daran zu erinnern, wo sie so lange gewesen waren.

14
    Am ersten Oktober, einem Donnerstag, drängten sich im zukünftigen Hibakusha-Zentrum die Helfer, die mit den letzten Vorbereitungen für die Einweihung beschäftigt waren, vor dem Fernseher, der in der Eingangshalle stand. Das Programm war voll von Berichten über die Heimkehrer. Man sah rührende Bilder aus Fulda, aus Schlüchtern, aus kleinen Rhön-Ortschaften, aus Coburg und Bamberg. Hausbesitzer sperrten ihre Haustüren auf, Frauen warfen prüfende Blicke in ihre Küchen, kleine Mädchen liefen mit Freudenschreien auf ihre Puppenecke zu. Zwischendurch wurde auch ein verwilderter Garten gezeigt, sogar ein Kaninchenstall mit den Überresten verendeter Tiere. Aber gleich darauf folgte die friedliche und unversehrte Silhouette eines Dorfes am Main.
    Janna-Berta stand auf den Zehenspitzen und versuchte, ab und zu einen Blick auf die Bilder zu erhaschen. Ob sie auch Schlitz zeigen würden? Eine alte Frau aus dem Sinntal erschien auf dem Bildschirm. Sie wurde gefilmt, wie sie auf ihr Fachwerkhäuschen zulief. Mit zitternden Händen öffnete sie das Gartentor. In Großaufnahme sah man ihr Gesicht. Tränen liefen ihr über die Wangen. Ein Reporter fragte sie, wie ihr zumute sei. »Jetzt wird alles wieder gut«, schluchzte sie.
    Da lachte Janna-Berta so laut und schrill, daß sich die Leute verwundert nach ihr umdrehten.
     
    Noch auf der Heimfahrt im Bus dachte Janna-Berta an Schlitz. Vor ihr saßen zwei Männer. Sie unterhielten sich über ihre Kinder. Sie schienen Arbeitskollegen zu sein. Von der Konfirmationsfeier einer Tochter war die Rede und vom Abitur eines Sohnes. Janna-Berta interessierte sich nicht für ihr Geplauder. Aber es war so laut und so nahe, daß sie es mithören mußte.
    Noch ein anderer Sohn war im Gespräch, ein Student der Germanistik. Er machte seinen Eltern offenbar Kummer.
    »Er ist mit einem Mädchen aus Fulda befreundet«, berichtete der Mann. »Ausgerechnet. Die hat doch garantiert was abgekriegt!«
    »Sieht man ihr was an?« fragte der andere.
    »Das nicht«, hörte Janna-Berta den ersten antworten. »Sie ist auch nicht krank. Aber ob die irgendwelche Erbschäden haben, weiß kein Mensch. Das stellt sich erst raus, wenn's zu spät ist. Ich versuch das dem Jungen klarzumachen. Aber er ist stur, da machst du dir keine Vorstellung.«
    »Wo die Liebe hinfällt ...«, sagte der andere. »Aber du hast recht. Meiner hat mit Mädchen ja noch nichts am Hut.«
    Als Janna-Berta heimkam, lief ihr Ruth entgegen und klammerte sich an sie. »Laß das«, sagte Janna-Berta und löste Ruths Hände von ihrem Bein. Ruth kicherte und klammerte sich an das andere. Janna-Berta riß das Kind so heftig los, daß es hinfiel und zu plärren begann.
    »Was war denn das?« fragte Paps und sah Janna-Berta erschrocken an.
    Da lief sie die Treppe zum Dachboden hinauf und warf sich auf ihre Matratze.
     
    Am nächsten Tag, dem Tag vor der Einweihung, waren sie alle im Zentrum, auch die Kinder und die Großmutter. Es gab noch so vieles zu tun! Janna-Berta half beim Stühleschleppen. Vor der Rednertribüne sollten mehrere Stuhlreihen stehen, für die Kranken und ihre Begleiter. Im Hintergrund waren lange Tische mit Bänken geplant. Dort sollten sich die Bewohner der einzelnen Orte oder Kreise treffen können. Es hatten sich auf einen Appell in der Zeitung hin so viele Helfer eingefunden, daß sie sich fast im Weg waren.
    Janna-Berta stand

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