Die Woll-Lust der Maria Dolors - Roman
sie immerhin noch lächeln. Und sie weiß, dass Martí sich sehr darüber freut. Es macht mich froh, wenn du so lächelst, Oma, sagt er dann immer.
Aus dem Zimmer der Kleinen sind jetzt Geräusche zu hören. Anhaltendes Stöhnen. Was ist da bloß los? … Oh … oh … Schlagartig geht Dolors ein Licht auf, und sie muss kichern. Großartig! Genau wie wir früher, nur macht man es heute eben, ohne vorher geheiratet zu haben … Und natürlich hinter dem Rücken der Eltern: Sandra hat diesen Jungen – es ist ein Junge, sie hat vorhin eine männliche Stimme gehört – nämlich an einem Tag eingeladen, da weder Leonor noch Jofre zu Hause sind. Und auch Martí ist nicht da. Keiner ist da. Nur die Oma. Und die kriegt ja scheinbar nichts mehr mit.
Während Dolors sich mühsam erhebt, um in ihr Zimmer zu schlurfen, überlegt sie, was Sandra und ihr mysteriöserFreund wohl gerade tun. Das Gleiche wie seinerzeit Antoni und sie? Eigentlich müsste sie ja jetzt bei ihrer Enkelin Maß nehmen für den Pullover, jetzt, da sie nackt ist, würde das am besten gehen. Als Dolors sich vorstellt, wie sie mit einem Zentimetermaß in der Hand in Sandras Zimmer platzt, muss sie wieder kichern. Natürlich wäre das nicht so schlimm wie damals, als man Antoni und sie in flagranti ertappte … War das peinlich, du lieber Himmel, wenn sie bloß daran denkt! Und was für ein furchtbares Theater es danach deswegen gab …
Bei Sandra und ihrem Kerl geht es wohl gerade richtig zur Sache, Kinder, Kinder, was macht ihr dabei für einen Heidenlärm. Und das mit sechzehn. Als sie so alt war, da hatte sie vom Leben und den Männern noch nicht die leiseste Ahnung gehabt. Meine Herren, was waren sie und ihre Schulkameradinnen damals blauäugig gewesen. Was aber auch nicht weiter verwunderlich war. Nur schauen, nicht anfassen!, hatte die Nonne dem kleinen Haufen Schülerinnen – seinerzeit machten nicht allzu viele Mädchen Abitur – eingebläut, als sie einmal von den jungen Burschen sprachen, andernfalls sei es vorbei mit der Jungfräulichkeit. Keine hatte zu fragen gewagt, was es mit dieser Jungfräulichkeit denn eigentlich genau auf sich hatte, zumal ihre Klassenlehrerin schon die Augen schloss und erklärte, dass anfassen gefährlich sei, sehr gefährlich sogar, ja man könne dafür in die Hölle kommen, selbst wenn man es hinterher bitter bereue und beichten gehe; es gebe eben Sünden, die Gott einem nicht so einfach vergebe. Zudem seien Frauen für solche Fehltritte die wahren Expertinnen. So wie Eva, die mit dem Apfel.
Schon allerhand, so lange die Geschichte mit dem Apfelgeglaubt zu haben. Ein Mann ist wie ein Apfel, hatte die Nonne sie damals gewarnt, und ihr kennt ja die Geschichte mit dem Apfel, sobald man hineinbeißt, ist es mit dem Paradies für alle Zeiten vorbei. Und sogar die schönsten Äpfel haben Würmer, dicke, unförmige, grauenhaft aufgedunsene Würmer, das könnt ihr euch gar nicht vorstellen!
Während ihres ganzen Vortrags hatte die Nonne – eine potthässliche Person mit einer krummen Nase und einem Ordensschleier, der ihr bis tief in die Stirn reichte – die Augen geschlossen gehalten, und Dolors und ihre Klassenkameradinnen hatten einander angesehen und leise gekichert, waren sie doch in einem Alter, in dem man einfach über alles gickelte. Aber natürlich glaubten sie der Nonne die Geschichte mit dem Apfel aufs Wort, und jedes Mal, wenn Dolors danach einen Mann sah, stellte sie sich seinen Körper rot, glänzend und alles andere als verlockend vor, denn sie mochte keine Äpfel. Allerdings fragte sie sich auch immer, was das wohl für ein Wurm war, der in den Männern steckte, dieser unförmige Wurm, von dem die Nonne mit geschlossenen Augen gesprochen hatte.
Dolors gluckst nun vor Vergnügen. Sandra hat dieses Problem offenkundig nicht, sie weiß wohl längst, was es mit dem unförmigen Wurm auf sich hat, und findet ihn bestimmt nicht
so
grauenhaft, ihrem Stöhnen nach zu urteilen, das nicht so klingt, als hätte sie Angst oder würde sich davor ekeln, ganz im Gegenteil, anscheinend schmeckt ihr der rote Apfel sogar ausgezeichnet …
Dolors lacht erneut leise auf, und während sie in ihrer Kommode nach der Strickzeitschrift kramt, die sie sich vor Monaten wegen der wunderschönen Muster gekauft hat, überlegt sie zum ersten Mal in ihrem Leben, wie dieNonne das mit dem unförmigen Wurm eigentlich wissen konnte, schließlich hatte sie ein Keuschheitsgelübde abgelegt, und zu jener Zeit bekam man
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