Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
Bär noch einmal.
Der Junge fuhr auf. Da hatte er nun an vollständig unnötige Sachen gedacht und noch nichts herausgefunden, was ihn retten könnte.
„Seid doch nicht so ungeduldig,“ sagte er. „Dies ist eine sehr wichtige Sache für mich, und ich muß ordentlich Zeit zum Überlegen haben.“
„Nun, dann überleg dirs noch eine Weile,“ sagte der Bärenvater. „Aber das will ich noch sagen: das Eisen ist schuld daran, daß die Menschen soviel klüger geworden sind als wir Bären, und gerade deshalb möchte ich der Arbeit hier ein Ende machen.“
Als der Junge diese neue Bedenkzeit gewonnen hatte, wollte er sie zum Entwerfen eines Rettungsplanes anwenden. Aber er konnte und konnte in dieser Nacht seine Gedanken nicht zusammenhalten, sie beschäftigten sich immer wieder mit dem Eisen. Da ging ihm allmählich ein helles Licht darüber auf, was die Menschen hatten alles denken und ausklügeln müssen, bis sie herausgebracht hatten, wie sie das Eisen aus dem Erz herausschmelzen könnten; und er sah plötzlich ganz deutlich die alten schwarzen Schmiede vor sich, die sich über die Esse beugten und darüber nachgrübelten, wie sie die Sache richtig angreifen müßten. Und vielleicht gerade deshalb, weil sie so lange hatten darüber nachgrübeln müssen, war den Menschen der Verstand gewachsen, daß sie schließlich so große Fabriken hatten bauen können. Ja, ja, darüber konnte kein Zweifel herrschen, die Menschen verdankten dem Eisen mehr, als sie sich selbst bewußt waren.
„Nun, wie stehts?“ fragte der Bärenvater. „Willst du, oder willst du nicht?“
Der Junge fuhr zusammen. Noch immer nahmen ihn unnötige Gedanken gefangen, obgleich er nicht wußte, was er tun sollte, um zu entwischen! „Die Wahl ist gar nicht so leicht, wie Ihr meint,“ sagte er. „Gebt mir noch ein wenig Bedenkzeit, Bärenvater.“
„Eine kleine Weile will ich noch warten,“ sagte der Bär. „Aber dann gibts keine Ausflucht mehr. Ich sage dir, dem Eisen allein verdanken es die Menschen, daß sie hier im Bärenland wohnen können, und eben deshalb will ich ihnen die Fabrik hier zerstören.“
„Diese letzte Bedenkzeit will ich mir aber nun zunutze machen,“ dachte der Junge. Doch ängstlich und verwirrt, wie er war, konnte er durchaus nicht Herr über seine Gedanken werden, und diese beschäftigten sich jetzt mit allem, was er gesehen hatte, während er auf dem Rücken des Gänserichs über den Bergwerkdistrikt hingeflogen war. Ja, ja, es war merkwürdig, wie viel Leben und Bewegung und wie viel nützliche Arbeit in der Wildnis erstanden war! Wie arm und öde wäre es doch da, wenn es kein Eisen gäbe! Der Junge dachte an den Eisenhammer hier, der, seit er gebaut worden war, so vielen Menschen ihr tägliches Brot gab, der so viele von Menschen bewohnte Häuser um sich versammelt und Eisenbahnen und Telegraphendrähte herbeigezogen hatte, und der in die Welt hinaus …
„Nun, wie stehts?“ fragte der Bär. „Willst du, oder willst du nicht?“
Der Junge fuhr sich mit der Hand über die Stirn. Keinerlei Rettung hatte er sich ausgedacht; aber so viel wußte er, daß er nichts gegen das Eisen unternehmen würde, gegen das Eisen, dem reich und arm so viel verdankte und das so vielen Menschen in diesem Land das tägliche Brot gab.
„Ich will nicht,“ sagte der Junge.
Ohne etwas zu sagen, drückte der Bärenvater seine Tatzen fester zusammen.
„Ihr werdet mich nie dazu bringen, den Eisenhammer zu zerstören,“ sagte der Junge. „Denn das Eisen ist ein großer Segen, und es wäre unrecht, sich daran zu vergreifen.“
„Dann erwartest du wohl auch nicht, daß ich dich am Leben lasse?“ fragte der Bär.
„Nein, das erwarte ich nicht,“ antwortete der Junge und sah dem Bären fest in die Augen.
Der Bärenvater drückte die Tatzen immer fester zusammen. Es tat sehr weh, und dem Jungen traten die Tränen in die Augen; aber er schwieg und sagte kein Wort.
„Gut! Eins, zwei, dr..!“ sagte der Bär und hob langsam die eine Tatze, denn er hoffte bis zuletzt, der Junge werde nachgeben.
In diesem Augenblick hörte der Junge ganz in der Nähe etwas knacken, und nur ein paar Schritte entfernt sah er einen glänzenden Gewehrlauf blitzen. Er und der Bärenvater waren beide vollständig mit sich selbst beschäftigtgewesen und hatten deshalb gar nicht gemerkt, daß sich ein Mensch bis dicht zu ihnen herangeschlichen hatte.
„Bärenvater!“ schrie der Junge. „Hört Ihr nichts? Es hat jemand einen Hahn gespannt!
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