Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
schon geschmolzen, und mitten am Tage wenn die Sonne hoch am Himmel steht, ist es auch ganz behaglich warm; aber in den Wäldern liegen noch große Schneewehen, die Seen sind noch mit Eis bedeckt, und in der Nacht sinkt das Thermometer häufig immer noch mehrere Grade unter Null herab. Deshalb wird ab und zu auch einmal ein Feuer angezündet, ehe es so recht dunkel ist. Aber nur die kleinsten und ungeduldigsten Kinder übereilen sich in dieser Weise; die großen warten, bis die Nacht vollständig hereingebrochen ist, damit sich die Feuer recht großartig ausnehmen.
Endlich ist die richtige Stunde gekommen. Jedes Kind, es mag einen noch so kleinen Zweig zum Holzstoß beigetragen haben, ist anwesend; nun zündet der älteste Junge einen Strohwisch an und steckt ihn unten in den Haufen hinein. Sogleich beginnt das Feuer zu arbeiten; es knattert und knistert im Reisig; der Rauch wallt schwarz und drohend auf; endlich dringen die Flammen oben aus dem Reisighaufen heraus; hell und klar steigen sie auf einmal mehrere Meter in die Höhe, so daß sie in der ganzen Gegend gesehen werden können.
Wenn die Kinder eines Dorfes ihren eignen Holzstoß in vollen Brand gesetzt haben, nehmen sie sich Zeit, sich umzusehen. Ja, dort brennt ein Feuer, und dort drüben ein zweites! Jetzt flammt eins auf dem Hügel dort auf, und jetzt eins ganz droben auf dem Berge! Alle Kinder hoffen, ihr eignes Feuer werde das größte und hellste sein; und sie haben so große Angst, es könnte die andern möglicherweise nicht übertreffen, daß sie jetzt in der letzten Stunde nach den Häusern rennen und Vater und Mutter noch um ein paar Bretterstumpen oder um etwas Brennholz bitten.
Wenn das Feuer eine Weile gebrannt hat, kommen die Erwachsenen und die alten Leute auch herbei, es sich anzusehen. Aber das Feuer ist nicht allein schön und hell, es verbreitet auch eine schöne gute Wärme und verlockt dadurch die Zuschauer, sich auf den Steinen und Erdhügeln ringsum niederzulassen. Da sitzen sie und schauen in die Flammen, bis es einem einfällt, es wäre doch recht behaglich, wenn man an dem schönen Feuer ein Schälchen Kaffee kochen würde. Während der Kaffeekessel summt, erzählt wohl einer eine Geschichte; und wenn diese zu Ende ist, ist gleich wieder ein andrer mit einer neuen bei der Hand.
Die Erwachsenen denken hauptsächlich an den Kaffee und die Geschichten, die Kinder aber suchen das Feuer möglichst lange in hellem Brand zu erhalten. Dem Frühling ist es so schrecklich schwer geworden, den Schnee zu schmelzen und das Eis aufzutauen. Wie schön wäre es, wenn man ihm nun mit dem Feuer ein wenig helfen könnte! Sonst kann er ja unmöglich den Bodenrechtzeitig von der Kälte befreien, damit Bäume und Kräuter auch rechtzeitig ausschlagen können.
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Die Wildgänse hatten sich für die Nacht auf dem Eise des Siljansees niedergelassen, und da ein schrecklich kalter Nordwind daherfegte, mußte der Junge unter den Flügel des weißen Gänserichs kriechen. Aber er hatte noch nicht lange dagelegen, als ihn ein Flintenschuß auffahren ließ. Rasch glitt er unter dem Flügel hervor und sah sich erschrocken um.
Hier draußen auf dem Eise, wo die Gänse ruhten, war alles ganz still, so sehr der Junge auch umherspähte, er konnte nirgends einen Jäger entdecken. Aber als er nach dem Lande hinschaute, nahm er etwas ganz Merkwürdiges wahr; er meinte zuerst, er sehe eine Gespenstererscheinung, etwas in der Art, wie damals die Stadt Vineta, oder den Garten bei Groß-Djulö.
Am Nachmittag waren die Gänse mehrere Male über dem großen See hin und her geflogen, ehe sie den Platz gewählt hatten, wo sie sich niederlassen wollten. Und da hatten sie dem Jungen die großen Kirchen und Dörfer gezeigt, die an den Ufern des Sees lagen. Er hatte Leksand, Rättvik, Mora und die Sollerö gesehen. Die Kirchendörfer waren sehr groß, sie sahen wie richtige Landstädte aus, und der Junge hatte sich sehr verwundert, wie dicht bebaut dies Land hier im Norden war. Die ganze Gegend erschien ihm viel freundlicher und lachender, als er erwartet hatte; er hatte durchaus nichts Unheimliches oder Schreckeneinjagendes entdecken können.
Aber jetzt, in der dunkeln Nacht, flammte an diesen selben Ufern ein großer Kranz von hellen Feuern auf. Überall sah man sie lodern: in Mora am nördlichen Ende des Sees, am Ufer der Sollerö in Vikarby, auf der Höhe über dem Dorfe Sjurberg, auf dem Kirchenplatz ganz draußen auf der Landzunge bei Rättvik, auf dem Lerdalberg, und
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