Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
miteinander verbracht. Er war von den Vögeln auf weite Ausflüge mitgenommen worden; Nils Holgersson hattesogar oben auf dem schneebedeckten Kebnekajse gestanden und auf die Gletscher hinabgeschaut, die sich dort unter dem steilen Bergkegel ausbreiten. Der Junge war auch noch auf vielen andern hohen Berggipfeln gewesen, die nur sehr selten von einem Menschenfuß betreten worden sind. Akka zeigte ihm verborgene Täler zwischen den Bergen und ließ ihn in Felsenschluchten hinabsehen, wo die Bärinnen ihre Jungen aufzogen. Es versteht sich von selbst, daß er auch die Bekanntschaft der zahmen Renntiere machte, die in großen Scharen an den Ufern des schönen Torneteich weideten; und er war auch drunten an dem großen Sjöfall gewesen und hatte den dort wohnenden Bären von ihren Verwandten im Bergwerkdistrikt Grüße bestellt. Wo immer er hinkam, – überall war das Land wunderschön; er freute sich auch von Herzen, daß er alles sehen durfte, und doch hätte er nicht immer da leben mögen. Er mußte Akka recht geben, wenn sie sagte: „Die schwedischen Ansiedler sollten dieses Land nicht beunruhigen, sondern es wie bisher den Bären und Wölfen und Renntieren und Wildgänsen, den Bergeulen, den Wühlmäusen und den Lappen überlassen, die dazu geschaffen sind, da zu leben.“
Eines Tages war Akka mit ihm auf eines der großen Grubenfelder geflogen, und da hatte er Klein-Mats von einem Sprengschuß zerschmettert an der Grubenöffnung gefunden. In den nächsten Tagen hatte der Junge dann an nichts weiter denken können, als wie er dem Gänsemädchen Åsa helfen könnte; nachdem aber diese ihren Vater gefunden hatte und seiner Hilfe nicht mehr bedurfte, wanderte er meistens in dem Felsental umher; und von dieser Zeit an sehnte er sich nach dem Tag, wo er mit dem Gänserich Martin heimkehren und wieder ein Mensch werden würde. Ach, er wollte doch so gerne wieder so werden, daß das Gänsemädchen Åsa mit ihm zu sprechen wagte und ihm nicht vor lauter Angst die Tür vor der Nase zuschlüge!
Ja, ja, Nils Holgersson war überglücklich, daß es nun südwärts ging. Als der erste Fichtenwald auftauchte, schwang er seine Mütze und rief Hurra! und auf dieselbe Weise begrüßte er das erste graue Ansiedlerhaus, die erste Ziege, die erste Katze und die ersten Hühner. Der Weg führte über prachtvolle Wasserfälle hin, und zu seiner Rechten sah der Junge wunderschöne Berge; aber an solche Herrlichkeiten war er jetzt so gewöhnt, daß er kaum noch einen Blick auf sie warf. Etwas andres war es, als er östlich von den Bergen die Kapelle von Kvickjock, von einem kleinen Pfarrhof und einem kleinen Dorfe umgeben, erblickte. Dieser Anblick ergriff ihn so mächtig, daß ihm die Tränen in die Augen traten.
Die ganze Zeit trafen die Wildgänse mit andern Zugvögeln zusammen, die jetzt in etwas größeren Scharen als im Frühling einhergeflogen kamen.
„Wohin, ihr Wildgänse, wohin?“ riefen die Zugvögel.
„Ins Ausland, wie ihr auch!“ antworteten die Wildgänse. „Ins Ausland, ins Ausland!“
„Die Jungen sind ja noch nicht ganz ausgewachsen!“ riefen die andern. „Mit so kleinen Flügeln kommen sie nie übers Meer hinüber!“
Die Lappen und die Renntiere zogen nun auch von den Bergen herunter. Sie kamen in guter Ordnung daher: ein Lappe führte den Zug an, dann kam die Herde mit den großen Renntierstieren in den ersten Gliedern, hierauf eine Reihe Lasttiere, die die Zelte und das andre Eigentum der Lappen trugen, und zum Schlusse etwa sieben bis acht Menschen.
Als die Wildgänse die Renntiere sahen, ließen sie sich etwas hinuntersinken und riefen ihnen zu: „Habt schönen Dank für den Sommer! Habt schönen Dank für den Sommer!“
„Glückliche Reise und auf Wiedersehen im nächsten Jahr!“ antworteten die Renntiere.
Aber als die Bären die Wildgänse sahen, zeigten sie sie ihren Jungen und brummten: „Seht, seht! Diese dort fürchten sich vor ein bißchen Kälte; deshalb bleiben sie im Winter nicht daheim.“
Aber die alten Wildgänse blieben den Bären die Antwort nicht schuldig, sondern riefen den Jungen zu: „Seht, seht! Diese verschlafen lieber das halbe Jahr, als daß sie sich der Mühe unterziehen, südwärts zu reisen!“
Drunten in den Fichtenwäldern saßen die jungen Auerhähne zerzaust und verfroren beieinander und sahen den großen Vogelscharen, die jubelnd und fröhlich südwärts zogen, mit sehnsüchtigen Augen nach.
„Wann kommt die Reihe an uns?“ fragten sie die Auerhähne.
Weitere Kostenlose Bücher