Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
Vom Netzwerk:
Augenblick nahm Ola Serka die Pfeife aus dem Munde und stand auf. Der alte Ola verstand mehr schwedisch, als er andere wissen lassen wollte, und er hatte verstanden, was der Sohn gesagt hatte. Und während er zugehört hatte, war ihm plötzlich klar geworden, auf welche Weise er Jon Assarsson mitteilen müsse, daß seine Tochter gekommen sei, ihn zu suchen.
    Ola Serka ging hinunter an den Luossajaure und wanderte dort eine Strecke dem Ufer entlang, bis er einen Mann traf, der auf einem Stein saß und fischte. Der Fischer hatte graues Haar und eine gebeugte Haltung. Seine Augen sahen müde drein; etwas Schlaffes und Hilfloses lag über dem ganzen Manne, er sah aus, wie jemand, der versucht hat, eine Last zu tragen, die ihm zu schwer war, oder wie einer, der über etwas nachgrübelte, das ihm zu schwierig zu lösen war, und der nun gebrochen und mutlos geworden ist, eben weil ihm die Sache nicht glücken wollte.
    „Du hast offenbar Glück bei deinem Fischfang gehabt, Jon, da du die ganze Nacht hier sitzen geblieben bist,“ sagte der Gebirgsbewohner in lappischer Sprache und trat näher.
    Der andre fuhr zusammen und schaute auf. Der Köder an seiner Angel warverschwunden, und neben ihm lag nicht ein einziger Fisch. Hastig befestigte er einen neuen Köder an der Angel und warf dann die Schnur wieder aus. Indessen setzte sich Ola neben ihm ins Gras.
    „Ich möchte gern etwas mit dir besprechen,“ begann der Lappe. „Du weißt, ich hab eine Tochter gehabt, die im vorigen Jahre gestorben ist, und seitdem habe ich sie in meinem Zelte bitter vermißt.“
    „Ja, das weiß ich,“ erwiderte der Fischer kurz, als könnte er es nicht ertragen, an ein verstorbenes Kind erinnert zu werden; er sprach gut lappisch.
    „Aber es nützt nichts, wenn man sein Leben vertrauert,“ fuhr der Lappe fort.
    „Nein, es nützt gar nichts.“
    „Und deshalb hab ich gedacht, ich wolle ein anderes Kind annehmen. Meinst du nicht, das sei ein guter Gedanke?“
    „Es kommt darauf an, was es für ein Kind ist, Ola.“
    „Ich will dir erzählen, was ich über das Mädchen weiß, Jon,“ sagte Ola.
    Und nun erzählte er dem Fischer, in diesem Sommer seien zwei Kinder, ein Junge und ein Mädchen, nach Malmberget gekommen, ihren Vater zu suchen, und als sie gehört hatten, daß der Vater abwesend war, seien sie dort geblieben, seine Rückkehr abzuwarten. Aber während sie sich in Malmberget aufhielten, sei der Junge durch einen Felsblock bei einer Sprengung ums Leben gekommen, und da habe das Mädchen ihm ein feierliches Begräbnis, gerade wie für einen Erwachsenen gehalten.
    Hierauf beschrieb Ola sehr schön, wie das arme kleine Mädchen alle Menschen dazu gebracht habe, daß sie ihr geholfen hätten, ja, daß sie sogar den Mut gehabt habe, selbst zum Inspektor zu gehen.
    „Ist es dies Mädchen, das du zu dir nehmen willst, Ola?“ fragte der Fischer.
    „Ja,“ antwortete der Lappe. „Als wir ihre Geschichte hörten, haben wir alle weinen müssen; alle haben darin übereingestimmt, daß eine so gute Schwester gewiß auch eine gute Tochter abgeben werde, und wir haben jetzt nur den einen Wunsch, daß sie zu uns komme.“
    Der andere schwieg eine Weile und setzte dann auch die Unterhaltung offenbar nur fort, um seinem Freunde, dem Lappen, eine Freude zu machen.
    „Und das Mädchen gehört doch wohl deinem eigenen Stamme an?“
    „Nein, es gehört nicht zum Lappenvolke.“
    „Dann ist sie doch wohl die Tochter eines Ansiedlers, die an das Leben hier oben im Norden gewöhnt ist?“
    „Nein, sie stammt weit aus dem Süden drunten,“ sagte Ola und sah dabei aus, als habe das gar nichts mit der Sache zu tun.
    Aber jetzt wurde der Fischer aufmerksam. „Dann solltest du sie nicht bei dir behalten, Ola,“ sagte er. „Wenn sie nicht von Geburt daran gewöhnt ist, kann sie den Winteraufenthalt in so einem Lappenzelt gewiß nicht ertragen.“
    „Sie bekommt gute Eltern und gute Geschwister in diesem Lappenzelt,“ fuhr Ola hartnäckig fort. „Alleinstehen ist schlimmer als frieren.“
    Aber jetzt wurde der Fischer immer eifriger, die Sache zu verhindern. Eswar, als könne er den Gedanken nicht ertragen, daß ein Kind, das schwedische Eltern hatte, bei den Lappen wohnen sollte.
    „Hast du nicht gesagt, das Mädchen habe einen Vater in Malmberget?“
    „Er ist tot,“ versetzte der Lappe kurz.
    „Weißt du das aber auch ganz gewiß, Ola?“
    „Was braucht man da noch zu fragen,“ erwiderte der Lappe verächtlich. „Hätten die beiden Kinder

Weitere Kostenlose Bücher