Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
er sie nicht bewegen konnte; er wendete seine ganze Kraft auf, brachte aber trotz aller Mühe die Mühle nur ein einziges Mal im Kreise herum.
Mit stummer Verwunderung sah die Riesenfrau zu, während er sich abmühte; und als er die Mühle losließ, sagte sie: ‚Ja, ich bin von meinem Mann her freilich bessere Hilfe gewöhnt, wenn die Mühle nicht gehen will. Aber es kann ja niemand von dir fordern, daß du mehr tun sollst, als deine Kraft vermag; du wirst jetzt aber doch wohl selbst einsehen, daß es am besten für dich wäre, wenn du nicht mit dem zusammen träfest, der auf dieser Mühle mahlen kann, soviel er Lust hat.‘
‚Trotzdem habe ich im Sinne, auf ihn zu warten,‘ erwiderte Handfest ganz leise und sanft.
‚Nun, dann setze dich dort auf die Bank, während ich ein Bett für dich zurecht mache,‘ sagte die Frau; ‚denn in diesem Falle wirst du hier übernachten müssen.‘
Sie richtete ihm aus vielen Kissen und Decken ein Lager her und wünschte ihm gute Nacht. ‚Du wirst das Bett ziemlich hart finden,‘ sagte sie, ‚aber mein Mann liegt jede Nacht auf so einem Lager.‘
Als Handfest sich nun in dem Bett behaglich ausstrecken wollte, fühlte er so viel Unebenheiten und Vertiefungen unter sich, daß von Schlafen keine Rede sein konnte; er wälzte und drehte sich von einer Seite auf die andere, konnte aber durchaus nicht einschlafen. Schließlich warf er in hellem Zorn ein Kissen dahin und ein Polster dorthin, und dann schlief er ruhig bis zum Morgen.
Als die Sonne durch die Dachluke herein schien, stand er auf und verließ das Haus der Riesen. Er ging über den Hofplatz und durch die Pforte; als er jedoch diese wieder hinter sich zumachte, stand plötzlich die Frau des Riesen neben ihm.
‚Ich sehe, du willst nun doch deiner Wege gehen, Handfest,‘ sagte sie, ‚und das ist gewiß auch das klügste, was du tun kannst.‘
‚Wenn dein Mann in einem solchen Bett schlafen kann, wie du mir für diese letzte Nacht bereitet hast,‘ sagte Handfest mißmutig, ‚dann will ich mich nicht mit ihm einlassen, denn dann muß er ein Mann von Eisen sein, mit dem es niemand aufnehmen kann.‘
Die Riesin lehnte an der Pforte. ‚Jetzt, wo du außerhalb meines Hofes bist, Handfest,‘ sagte sie, ‚will ich dir doch sagen, daß deine Reise zu uns Riesen durchaus nicht so unehrenvoll für dich abgelaufen ist, wie du selbst zu denken scheinst. Es ist gar nicht merkwürdig, daß du den Weg durch meine Stube lang fandest; da bist du über die ganze Hochebene, die Jämtland genannt wird, hingegangen. Desgleichen war es auch nicht verwunderlich, daß du den Zapfen nicht in das Faß hinein brachtest, denn aus dem Faß ist dir alles Wasser entgegengeströmt, das von den Schneebergen herabläuft. Und als du das Wasser auf dem Boden in Rinnen leitetest, hast du Furchen und Vertiefungen geschaffen, die jetzt Flüsse und Seen sind. Es war kein geringer Beweis deiner Stärke, daß du die Mühle einmal im Kreise herumgebracht hast, denn zwischen den Steinen war kein Korn, sondern Kalksteine und Schiefer, und mit der einen Drehung hast du soviel gemahlen, daß die ganz Hochebene mit guter fruchtbarer Erde bedeckt worden ist. Daß du in dem Bett, das ich dir zurecht gemacht habe, nicht hast liegen können, verwundert mich auch nicht; denn ich habe große eckige Berggipfel hineingelegt; diese hast du nun über das halbe Land hingeschleudert, und vielleicht sind dir die Menschen dafür nicht so dankbar wie für das andere, was du getan hast. Ich sage dir jetzt Lebewohl und verspreche dir, daß ich und mein Mann von hier fortziehen werden an einen Ort, wo du uns nicht so leicht aufsuchen kannst.‘
Der Wanderer hörte dies alles mit wachsendem Zorne an, und als die Riesenfrau ausgesprochen hatte, griff er nach dem Hammer, den er in seinem Gürtel trug. Aber ehe er ihn herausziehen konnte, war die Frau verschwunden, und da, wo das Haus der Riesen gestanden hatte, war nichts mehr zu sehen als eine graue Bergwand. Aber was nicht verschwunden war, das waren diemächtigen Flüsse und Seen, denen Handfest auf der Hochebene einen Weg geschaffen, sowie das fruchtbare Erdreich, das er gemahlen hatte. Nicht verschwunden waren außerdem noch die prächtigen Berge, die dem Jämtland seine Schönheit verleihen und allen denen, die es besuchen, Kraft und Gesundheit, Freude, Mut und Lebenslust schenken; deshalb ist wohl auch von allen Taten, die Asa-Thor vollbracht hat, keine lobenswerter als die, welche er in jener Nacht ausführte, als
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