Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe
heraufdringen.
„Gibt es irgendeine große Stadt in dieser Landschaft?“ fragte der Junge.
„Was … Was … Wer ruft denn hier?“ rief der Mensch als Antwort.
„Gibt es irgendeine große Stadt in dieser Landschaft?“ wiederholte der Junge.
„Ich will wissen, wer da ruft?“ schrie der Mensch.
„Ja, ich habe mir wohl gedacht, daß ich keinen ordentlichen Bescheid bekäme, wenn ich einen Menschen fragte,“ rief der Junge.
Nach kurzer Zeit verzog sich der Nebel ebenso rasch wieder, wie er aufgetaucht war, und nun sah der Junge, daß Bataki über einem breiten Flußtal hinflog. Es war ein schöner Landstrich mit ebenso hohen Bergen wie im Jämtland, aber am Fuße der Berge war kein fruchtbares, dichtbebautes Land wie dort. Die Ortschaften lagen weit voneinander entfernt, und die Felder waren nur klein. Bataki flog den Fluß in südlicher Richtung entlang, bis er in die Nähe eines Dorfes kam. Da flog er auf ein Stoppelfeld hinunter und ließ den Jungen absteigen.
„Auf diesem Felde hat im Sommer Gerste gestanden,“ sagte Bataki. „Sieh, ob du nicht etwas Eßbares findest.“
Der Junge befolgte den guten Rat, und schon nach ganz kurzer Zeit fand er eine Ähre. Während er die Körner herausschälte und sie verzehrte, fing Bataki ein Gespräch mit ihm an.
„Siehst du das große Gebirge dort, das gerade im Süden vor uns aufragt?“ fragte er.
„Jawohl, ich sehe es deutlich,“ antwortete der Junge.
„Es heißt Sonfjället,“ fuhr der Rabe fort, „und du darfst mir glauben, in den alten Tagen hat es dort viele Wölfe gegeben.“
„Dieses Gebirge muß auch ein guter Schlupfwinkel für sie gewesen sein,“ räumte der Junge ein.
„Ja, für die Leute hier im Tale war es oft sehr schwer, daß sie sich auch noch mit den Wölfen herumschlagen mußten,“ sagte Bataki.
„Weißt du nicht irgendeine gute Geschichte von Wölfen, die du mir erzählen könntest?“ fragte der Junge. Und Bataki erzählte:
„Vor langer, langer Zeit sollen die Wölfe von Sonfjället einmal einen Bauern überfallen haben, der mit einer Ladung Böttchergefäße umherfuhr. Er war von Hede, einem Dorf, das einige Meilen höher droben, als wir uns hier befinden, im Ådal liegt. Es war Winter, und die Wölfe jagten hinter dem Schlitten her, als er eben über das Eis des Ljusnan hinüberfuhr. Es waren ihrer wohl acht bis zehn Stück, und der Bauer hatte kein gutes Pferd, so daß er nicht viel Hoffnung hatte, ihnen entkommen zu können.
Als der Mann die Wölfe hinter sich heulen hörte und sah, was für ein großes Rudel er im Rücken hatte, verlor er alle Besinnung, und es fiel ihm nicht ein, daß er Kübel, Bottiche und Wannen eiligst von seinem Wagen hätte werfen sollen, um die Last zu erleichtern. Er peitschte nur auf das Pferd los, und dieses lief auch wie noch nie, aber trotzdem kamen die Wölfe immer näher, das merkte der Bauer wohl. Es war eine sehr einsame Gegend, der nächste Hof lag mindestens noch zwei Meilen entfernt, der Bauer konnte nichts anderes erwarten, als daß seine letzte Stunde gekommen sei, und er fühlte, wie ihm vor Entsetzen alle Glieder erstarrten.
Während er so wie gelähmt dasaß, sah er, daß sich zwischen den Tannenbüschen, die auf dem Eis aufgepflanzt waren, um den Weg zu bezeichnen, etwas bewegte. Und als er sah, was es war, wuchs der Schrecken, der ihn schon vorher erfaßt hatte, ins ungeheure.
Aber nicht Wölfe waren es, die ihm da entgegenkamen, sondern ein altes Bettelweib. Sie hieß die Finnen-Malin und war eine rechte Landstreicherin. Sie hinkte ein wenig und hatte überdies einen kleinen Höcker; der Mann konnte sie schon aus der Ferne erkennen.
Die Frau ging gerade auf die Wölfe zu. Offenbar wurden sie durch den Schlitten vor ihr verdeckt, und dem Bauern war es sogleich klar: wenn er an ihr vorüberfuhr, ohne sie zu warnen, dann fiel sie den wilden Tieren unwiederbringlich zur Beute, und während diese die Alte zerrissen, konnte er entkommen. Auf ihren Stock gestützt, hinkte sie langsam daher; ja, sie war unrettbar verloren, wenn er ihr nicht half. Aber wenn er auch anhielt und sie auf den Schlitten nahm, war es durchaus nicht sicher, daß sie gerettet würde; wenn er es tat, war es mehr als wahrscheinlich, daß er von den Wölfen eingeholt würde, und dann wurden alle miteinander, er und die Alte und das Pferd, zerrissen und aufgefressen, und der Bauer fragte sich, ob es nicht am richtigsten wäre, ein Leben zu opfern, um zwei andere zu retten.
Aber damit war es noch nicht
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