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Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe

Titel: Die wunderbare Reise des kleinen Nils Holgersson mit den Wildgaensen - Vollstaendige Ausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Selma Lagerloef
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Enkelkinder dachte. „Auch ich bekomme noch gute Tage,“ sagte sie, „wenn sie einmal herangewachsen sind.“
    Aber als diese Kinder herangewachsen waren, zogen auch sie fort, hinüber zu den Eltern in das fremde Land. Keines kehrte zurück, keines blieb daheim. Die alte Frau war schließlich ganz allein auf dem Hof.
    Sie bat auch niemals, daß eines bei ihr bleibe. „Meinst du denn, Rotkopf, ich hätte das Herz, sie zu bitten, bei mir zu bleiben, wenn sie es draußen in der Welt besser bekommen können?“ pflegte sie zu sagen, wenn sie neben der alten Kuh in deren Stand stand. „Hier in Småland steht ihnen ja nichts als Armut bevor.“
    Als aber das letzte Enkelkind fortgezogen war, war auch die Frau am Ende ihrer Kräfte. Sie wurde auf einmal gebückt und grauhaarig und ging gar mühselig, als ob sie sich kaum noch von der Stelle bewegen möchte. Und dann hörte sie auf zu arbeiten. Die Fürsorge für den Hof wurde ihr gleichgültig, und sie ließ fünf gerade sein. Sie ließ das Gebäude verfallen und verkaufte die Ochsen und Kühe. Nur die alte Kuh, die jetzt mit Däumling sprach, behielt sie. Diese ließ sie am Leben, weil alle die Kinder mit ihr auf die Weide gezogen waren.
    Sie hätte sich ja wohl Knechte und Mägde zur Hilfe halten können, aber seit die eignen Kinder sie verlassen hatten, mochte sie keine Fremden um sich sehen. Und vielleicht war es ihr gerade recht, wenn der Hof verfiel, da ja keines der Kinder ihn je übernehmen würde. Sie kümmerte sich nicht darum, ob sie selbst verarmte, weil sie nicht mehr für ihr Eigentum sorgte. Nur eins fürchtete sie, daß die Kinder erfahren könnten, wie schlecht es um sie stünde. „Daß es nur die Kinder nicht erfahren! Daß es nur die Kinder nicht erfahren!“ seufzte sie, wenn sie mit unsichern Schritten durch den Stall ging.

    Die Kinder schrieben beständig und baten sie, zu ihnen zu kommen, aber das wollte sie nicht. Sie wollte das Land nicht sehen, das ihr die Kinder genommen hatte. Sie war böse auf das Land. „Es ist wohl dumm von mir, daß ich es nicht leiden kann, das Land, das gut gegen sie gewesen ist,“ sagte sie, „aber ich will es nicht sehen.“
    Sie dachte an nichts als an die Kinder, und daran, daß sie in ein fremdes Land hatten ziehen müssen. Im Sommer führte sie die Kuh zur Weide hinaus auf das große Moor. Sie selbst saß den lieben langen Tag am Rande des Moors, die Hände im Schoß, und wenn sie heimging, sagte sie: „Siehst du, Rotkopf, wenn hier anstatt des unfruchtbaren Moorlandes große, fette Äcker gewesen wären, dann hätten sie nicht fortzuziehen brauchen.“
    Sie konnte sich in einen wahren Zorn über das Moor hineinreden, das sich so groß vor ihr ausbreitete und doch von keinem Nutzen war. Und oftmals sagte sie auch, ihr Mann sei schuld daran, daß die Kinder von ihr fortgezogen seien.
    Am letzten Abend war sie zittriger und schwächer gewesen als je vorher. Nicht einmal zum Melken hatte sie die Kraft gehabt. Über den Stand gebeugt erzählte sie von zwei Bauern, die dagewesen seien und ihr das Moor hätten abkaufen wollen. Sie hätten Ablaufgräben hindurchziehen, dann Getreide darein säen und ernten wollen. Diese Nachricht hatte die alte Frau froh und ängstlich zugleich gemacht. „Hör nur, Rotkopf,“ sagte sie, „hör nur, sie sagten, auf dem Moor könnte Roggen wachsen. Jetzt will ich den Kindern schreiben, sie sollen heimkommen. Sie brauchten nicht länger fortzubleiben, denn jetzt könnten sie ihr tägliches Brot daheim gewinnen.“
    Um diesen Brief zu schreiben, war sie in ihre Stube gegangen – – –
    Der Junge hörte nicht mehr, was die alte Kuh noch erzählte. Er öffnete die Stalltür und ging über den Hof in die Stube zu der Toten, vor der er sich vorhin so gefürchtet hatte.
    An der Tür hielt er an und sah sich um.
    Es sah in der Stube nicht so ärmlich aus, wie er erwartet hatte. Es waren viele solche Dinge da, wie die Leute sie zu haben pflegen, die Verwandte in Amerika haben. In einer Ecke stand ein amerikanischer Schaukelstuhl, auf dem Tisch am Fenster lag eine schöne Plüschdecke, und eine andre schöne Decke war über das Bett gebreitet. An den Fenstern hingen in reich geschnitzten Rahmen die Photographien der fortgezogenen Kinder und Enkel, auf der Kommode standen hohe Vasen und ein paar Leuchter mit dicken gedrehten Kerzen.
    Der Junge suchte eine Zündholzschachtel und zündete die beiden Kerzen an; nicht weil er noch besser zu sehen wünschte, sondern weil er wußte, daß dies

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