Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
sie mich und knallte das Klemmbrett auf den spiegelblank polierten Tresen. »Ich habe noch so viel zu organisieren – und es ist schon zwanzig nach fünf! Wie sollen wir das schaffen? Hat Claude überhaupt den geringsten Schimmer, was noch alles zu tun ist?«
Ich lächelte und umarmte sie. »Setz dich, Celia. Tief durchatmen. Bis zweihundert zählen …«
Celia setzte sich und schaute zu mir auf wie ein gescholtenes Kind. »Du klingst wie meine Mutter«, beschwerte sie sich.
»Glaub mir, alles wird ganz fantastisch werden«, versicherte ich ihr und klang auf einmal wie meine. »Dir bleibt noch genügend Zeit. Komm und schau dir die Blumen an. Die Rosen riechen absolut betörend, und wir haben noch etwas Lavendel dazugetan, um eventuell bloßliegende Nerven zu beruhigen.«
Celias sorgenvolle Stirn glättete sich etwas, als sie mir in den hinteren Teil des Restaurants folgte, wo Claude seinen Ärger gerade an einem der Kellner ausließ.
»Hey, Joey – guck dir mal die Servietten an!«, schrie er, und sein Akzent klang auf einmal eher nach dem Paten als nach Paris. Ich musste mir ein Kichern verkneifen, als er sich galant zu uns umdrehte und ganz plötzlich wieder seine gallischen Wurzeln präsentierte. »Ah, Madame Reighton … isch ’offe, der Raum ist gut pour vous ?«
Celia atmete tief durch. »C’est très bien, Claude, merci.«
Claude lächelte knapp und entschwand eilends in die Küche. Ich nahm Celia beim Arm. »Gut gemacht«, sagte ich, und zum ersten Mal seit meiner Ankunft sah ich wenigstens die Andeutung eines Lächelns über ihr erhitztes Gesicht huschen.
»Ich wüsste nicht, was ich ohne dich machen würde, Rosie!«
Café Bijou war wirklich ganz frisch eröffnet – wenn man das Restaurant betrat, konnte man sogar noch ein bisschen frische Farbe riechen –, wirkte aber sehr einladend und gemütlich. Es lag in einer schmalen, von Bäumen gesäumten Straße, von der einige Stufen hinauf zum Eingang führten. Innen dominierten warme und dezente Töne und vermittelten gepflegtes Understatement: dunkle Holztische, die Stühle mit auberginefarbenem Samt bezogen, das Licht gedämpft, die Wände in Creme, Braun und Karamell gehalten. Die Tischtücher waren aus weißem Leinen, und die polierten Holzdielen knarrten behaglich unter meinen Füßen. Und auch wenn das Lob von mir kommt – meine Blumendeko passte perfekt in das Ambiente. Cremeweiße und hellrosa Rosenknopsen, umgeben von ein paar dunkel schimmernden Rosenblättern und Lavendelzweigen, dicht gesteckt in kleinen Körbchen aus dunklem Weidengeflecht und großzügig abgerundet mit goldgelbem Raphiabast, der sich zudem anmutig über das Tischlinnen ausbreitete.
Als alle Tische eingedeckt und auch die Platzkarten strategisch verteilt waren, ließ Celia einen letzten prüfenden Blick über den Raum schweifen und stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Du hattest Recht, Rosie«, meinte sie und legte mir ihren Arm um die Schultern. »Es ist wirklich ganz fantastisch geworden.«
Ich weiß, dass viele Leute Celia absolut unmöglich finden. Sie hat sogar die berühmte unerschütterliche Ruhe meiner Mutter auf eine harte Probe gestellt, als die beiden sich das erste Mal begegnet sind. Aber ich kenne sie lang genug, um zu wissen, dass sich hinter dem überspannten Äußeren ein Herz aus Gold verbirgt. Celia ist sehr New York – sie ist erst dann glücklich, wenn sie sämtliche Mängel der Welt erkannt und benannt hat. Die Mieten sind astronomisch , die Preise in Hotels und Restaurants grotesk , und es ist doch unglaublich, wie derangiert die Parks dieser Tage aussahen. Mal ganz abgesehen davon, dass New York einfach nicht mehr so wie früher sei, seit Giuliani nicht mehr Bürgermeister ist. (Es versteht sich von selbst, dass sie kein gutes Haar an ihm gelassen hatte, als er noch im Amt war.) Ihre Kolumne ist wegen ihres nüchternen Blicks auf das städtische Leben sehr beliebt bei den New Yorkern. Celia schreibt wie ihre Leser reden – eine Mischung aus New Yorker Intellekt, Snobismus und gepflegter Nörgelei, angereichert mit unbestechlich scharfer Beobachtungsgabe und abgerundet durch unvergleichlich trockenen Humor. Es ist größtenteils Celia zu verdanken, dass ich die Eigenheiten und das einzigartige Lebensgefühl dieser Stadt verstehen und lieben gelernt habe.
Hier könnte ich vielleicht kurz erzählen, wie wir uns überhaupt kennengelernt haben: Es war auf einer Party in Boston, kurz nachdem ich den Entschluss gefasst hatte, von Boston nach
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