Die wunderbare Welt der Rosie Duncan
strenger Haarknoten.
Meine Aufmerksamkeit galt jedoch dem letzten aus der Gruppe. Er war jünger als die anderen – ich schätzte ihn auf Anfang dreißig –, und er wirkte ebenso lässig und entspannt wie seine keineswegs nachlässige Kleidung. Sofort musste ich an einen Satz denken, mit dem meine Mutter gern meinen Bruder James beschreibt: »Er fühlt sich einfach wohl in seiner Haut.« Ich ertappte mich dabei, ihn anzustarren, riss
mich rasch zusammen und schaute Mimi erwartungsvoll an. Doch ehe sie ihn mir vorstellen konnte, trat er auch schon vor, nahm seine Hand aus der Hosentasche und streckte sie mir in einer einzigen fließenden Bewegung entgegen.
»Hi«, sagte er lächelnd. Seine Stimme war sanft und leise. »Ich bin Nathaniel Amie. Aber nennen Sie mich ruhig Nate.«
»Nathaniel arbeitet bei Gray & Connelle Publishing«, ließ Mimi mich wissen. »Er ist Pessimist aus Überzeugung und verantwortlich für so manchen Alptraum unter uns Literaten. «
Diese Beschreibung schien gar nicht zu dem scheinbar so freundlichen und unkomplizierten Mann zu passen, den ich soeben kennengelernt hatte.
Anya, die meine Verwunderung zu bemerken schien, erklärte mir: »Nathaniel entscheidet darüber, ob unsere geschätzten Werke gedruckt werden oder nicht. Glücklicherweise war er schon öfter zu gewissen Risiken bereit.«
»Und dafür schätzen wir ihn sehr«, ergänzte Jane und errötete leicht, als Nate ihr verschwörerisch zuzwinkerte und kurz den Arm um sie legte.
»Ich euch auch – denn was wäre ich ohne euch?«, erwiderte er in die Runde, wandte sich dann jedoch mit mahnend erhobenem Zeigefinger wieder an Jane. »Aber du wirst trotzdem noch die Änderungen vornehmen müssen, die wir heute besprochen habe, bevor ich mein Okay gebe.«
»Sehen Sie, was ich meine?«, flüsterte Mimi mir vertraulich zu. »Ein absoluter Alptraum.«
»Wie ich sehe, habt ihr meine wunderbare Freundin Rosie bereits kennengelernt«, rief Celia erfreut und kam herbeigerauscht. »Mimi, du musst sie unbedingt die Blumendekoration für deinen Winterball machen lassen. Sie ist fantastisch. Ein absolutes Genie!«
Ich wäre am liebsten im Boden versunken, als ich Nates belustigten Blick auffing. »Ein Genie?« Fragend schaute er mich an, und seine Augen, so braun wie dunkle Schokolade, funkelten vergnügt. Ich versuchte zu lächeln und schaute dann verlegen in mein leeres Glas.
»Aber ja, natürlich …«, meinte Mimi und zückte ihre Visitenkarte. »Jede Empfehlung von Celia Reighton ist einen Versuch wert. Rufen Sie mich kommende Woche an, Rosie, dann besprechen wir alles Weitere.«
»Danke«, sagte ich und nahm ihre Karte. Celia strahlte angesichts dieser geglückten Transaktion über das ganze Gesicht.
»Haben Sie einen Laden?«, wollte Brent wissen und kramte ein kleines, in schwarzes Leder gebundenes Notizbuch und einen Stift aus seiner Jackentasche. »Meine Frau hat Ende des Monats Geburtstag, und ich hätte gern etwas ganz Besonderes für sie.«
»Kein Problem«, erwiderte ich und gab ihm meine Visitenkarte, ganz angetan von den neuen Möglichkeiten, die sich hier auftaten. »Mein Laden heißt Kowalski’s und ist an der Ecke West 68th und Columbus. Kommen Sie einfach vorbei, dann suchen wir zusammen etwas Passendes für Ihre Frau aus.«
»Und es wird wirklich etwas ganz Besonderes, das verspreche ich dir, mein Lieber. Rosies Kreationen sind einfach göttlich «, schwärmte Celia mit einem fast schon furchterregenden Lächeln und so großer Geste, dass sie wie einer dieser übereifrigen Verkäufer in billigen Werbespots wirkte. »Jetzt erlaube ich euch aber nicht länger, meine geschätzte Floristin in Beschlag zu nehmen, und entführe sie euch einfach!« Damit schnappte sie mich bei der Hand und zog mich weiter.
Sobald wir weg waren, nahmen die fünf ihre Unterhaltung wieder auf, doch ich bemerkte, dass Nate Amie sich
kaum daran beteiligte. Celia stellte mich bereits jemand anderem vor, aber ich sah noch, wie Nate mich beobachtete. Lächelnd schaute er zu mir herüber und hob sein Glas, ehe er sich wieder seinen Freunden zuwandte.
Eine ganze Weile später, nachdem das Essen genossen, alle Reden gehalten und auch die letzten Gespräche verklungen waren, strahlte Celia noch immer mit so unerschöpflicher Energie, als wollte sie den Times Square im Alleingang erleuchten.
»Alles in allem ein unglaublich erfolgreicher Abend, würde ich sagen«, verkündete sie.
»Absolut«, stimmte ich zu und reichte ihr eines meiner
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