Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Assolant
Vom Netzwerk:
sehr stark. Die Mauern stammten aus der Zeit, als Holkars Vorfahren, Fürsten der Marathenkonföderation, der tartarischen Reiterei Tamerlans getrotzt hatten. Seit dieser Zeit hatte man zwar einige Gräben mehr ausgehoben, das Mauerwerk an brüchigen Stellen wieder instand gesetzt, die alten Türme mit Kanonen bestückt, doch einer ernsthaften Belagerung durch moderne Artillerie würde die Stadt kaum standhalten können.
    Sei es, wie es sei, Holkar war fest entschlossen, die Festung gegen die Engländer zu verteidigen, und Corcoran, voller französischen Vertrauens in sein Genie, versprach, den Belagerungsring zu durchbrechen. Eine erste Maßnahme war, seine Brigg Sturmsohn den Narbada heraufsegeln zu lassen. Er versteckte sie in einem Flußarm, um sie nicht den Engländern in die Hände fallen zu lassen. Je nach Bedarf konnte er jetzt auf ihr von einem Ufer zum anderen setzen.
     
     
16.
Wie der tapfere Berar unzufrieden mit den Zärtlichkeiten der neunschwänzigen Katze war
     
    Am nächsten Tag stießen Infanterie und Artillerie zu Colonel Barclay, der sofort versuchte, die Stadt im Handstreich zu nehmen, denn er rechnete damit, sich wegen der brüchigen Mauern der Festung nicht auf eine sorgfältige Belagerung vorbereiten zu müssen. Einige Kanonenschüsse würden nach seiner Meinung genügen, um eine ausreichend große Bresche in die Mauern zu schießen, durch die die Infanterie nach Bhagavapur hätte eindringen können.
    Doch er hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht, er hatte nicht mit der Kühnheit und Geschicklichkeit des Kapitäns gerechnet. Dieser nämlich hatte in einem Artillerieduell, das etwa zwei Stunden gedauert hatte, ungefähr zwei Dutzend englische Kanonen zerstört und einen Teil des Munitionslagers in Brand geschossen. Die Explosion hatte zweihundert Engländern und Sepoys das Leben gekostet. Barclay hatte daraufhin bald eingesehen, daß er sich auf eine regelrechte Belagerung einrichten mußte.
    Er ließ eine Sappe ausheben. Doch die Sepoys waren keine Pioniere, zwar wendig, aber für Schanzarbeiten nicht kräftig genug. Und die Europäer waren durch das heiße Klima so geschwächt und halb krank, daß sie kaum von Nutzen waren. Darüber hinaus hatten sie die ständigen Ausfälle Corcorans nervös gemacht.
    Dieser hatte dank seiner Brigg, deren Tiefgang unerheblich war, eine Bewegungsfreiheit zu Wasser, die es ihm mit Hilfe seiner zwölf Matrosen erlaubte, auch von der Wasserseite her die Engländer unter Beschuß zu nehmen. Er trotzte dem Gegner, belästigte ihn mit einer Schwadron Reiter oder kam mit einigen Infanteriekompanien den Narbada herabgesegelt und griff sie im Rücken an, so daß Colonel Barclay schon befürchtete, die Belagerung wegen Mangel an Nahrung und Munition aufgeben zu müssen.
    Doch Corcorans Mut und Aktivität konnten letztlich gegen die Disziplin und Hartnäckigkeit der Engländer nicht das notwendige Übergewicht erzielen, um sie zur Umkehr zu zwingen. Nach vierzehntägiger Belagerung zweifelte der Kapitän nicht mehr am Ausgang des Unternehmens und am Schicksal Bhagavapurs. Schon begann man in den Straßen den letzten Ansturm vorauszusehen und munkelte von Kapitulation. Wenn Corcoran nicht in der Stadt war, schienen Holkars Soldaten bereit zu rebellieren und die Stadt dem Colonel auszuliefern.
    Eines Abends hatten die Engländer schließlich ihre Sappe fertiggestellt und die Kanonen in Stellung gebracht. Sie begannen die Stadt von der Flußseite her mit solch einem konzentrierten Artilleriefeuer zu belegen, daß die Festungsmauer an einer Stelle einstürzte und eine breite Bresche entstand, durch die die Angreifer eindringen konnten. Zwar schickte Corcoran rasch ein zuverlässiges Regiment an die Stelle, um eventuelle Angriffe der Engländer zu vereiteln, doch hätten sie gegen einen konzentrierten Angriff der Engländer kaum etwas ausrichten können. Zum Glück war die Nacht hereingebrochen, und es schien unwahrscheinlich, daß die Engländer jetzt noch angreifen würden. Holkar, noch von seiner Verletzung gezeichnet, hielt im Beisein Sitas mit Corcoran Rat.
    „Lieber Freund“, meinte Holkar niedergeschlagen, „es ist alles verloren. Die Bresche ist mindestens fünfzehn Schritt breit, und sie werden uns heute nacht oder morgen früh angreifen. Was sollen wir tun?“
    „Säbel und Kanonenrohr!“ erwiderte Corcoran, „ich sehe nur drei Möglichkeiten – oder die Kapitulation.“ Holkar machte eine Geste des Entsetzens.
    „Sehr gut!“ fuhr der Bretone fort.

Weitere Kostenlose Bücher