Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran

Titel: Die wunderbaren, aber wahrhaftigen Abenteuer des Kapitäns Corcoran Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Assolant
Vom Netzwerk:
besser hören könnte.
    „Louison, meine Liebe, es handelt sich darum, zu erfahren, was der Feind vorhat“, sagte Corcoran. „Du weißt ja ebensowenig wie ich, was sich in der Sappe tut. Also hol uns Informationen, du verstehst schon… Du läufst in die Sappe, nimmst dir den erstbesten Engländer – einen Offizier, wenn möglich –, der dir über den Weg läuft, zwischen die Zähne und bringst ihn, ohne ihm ein Härchen zu krümmen, hierher zu mir! Und sei vor allem vorsichtig und behutsam!“
    Diese Rede war von sehr deutlichen Gesten begleitet, und Louison senkte nach jedem Satz den Kopf, um zu zeigen, daß sie verstanden habe. Dann flitzte sie los, übersprang die Bresche und war mit einem zweiten Satz schon in dem Graben, wo sich die Engländer gerade zu einem neuerlichen Angriff fertigmachten.
    Der erste, auf den sie traf, war ein Leutnant vom 25. Linienregiment. Es war der brave James Stephens aus Cartridge House in der Grafschaft Durham. Mit einem leichten Schlag ihrer Pfoten stupste sie ihn zu Boden. Dann packte sie ihn mit ihren Zähnen am feinen roten reißfesten englischen Tuch und nahm wieder den Weg, den sie gekommen war.
    Louisons Auftauchen geschah so unerwartet und plötzlich, daß niemand Zeit gefunden hatte, sich ihr zu widersetzen oder sie wenigstens aufzuhalten. Die Tigerin durchquerte die Bresche ein zweites Mal, diesmal jedoch von der entgegengesetzten Seite, und legte ihr „Wild“ zu Corcorans Füßen nieder. Dabei betrachtete sie ihn mit einem verschmitzten Blick, der bedeuten mochte: Na, verehrter Herr und Meister, habe ich das nicht wieder fabelhaft gemacht?
    Unglücklicherweise hatte Louison, die sehr in Eile war und in Sorge, ihre kostbare Beute unterwegs fallen zu lassen, den armen Leutnant ein bißchen zu sehr gedrückt, so daß ihre Zähne in die Lunge des jungen Mannes gedrungen waren und James Stephens aus Cartridge House in dem Moment, da ihn Louison niederlegte, ein toter Mann war.
    „Armer Junge“, meinte Corcoran. „Louison ist eben nicht sehr bewandert in Anatomie. Sie hat ihn zu sehr gedrückt… Louison, meine Liebe, du hast einen großen Fehler gemacht. Du hast diesen Engländer wie ein englisch gebratenes Steak behandelt, das ist ein großer Unterschied, wie dir jeder Feinschmecker bestätigen wird; Engländer sind stets als Gentleman zu behandeln und lebend herbeizuschaffen… Also, spring noch einmal und faß diesmal bitte etwas sanfter zu.“
    Die Tigerin verstand den Vorwurf nur zu gut und lief gesenkten Hauptes davon, um ihre Scharte wettzumachen.
    Diesmal hatte sie ihren Gentleman so sanft angepackt und kaum mit ihren Zähnen berührt, daß sie ihn zweifellos Corcoran ohne jede Verletzung übergeben haben würde, wenn die Engländer nicht die törichte Idee gehabt hätten, Louison unter starken Beschuß zu nehmen. Eine der Tigerin zugedachte Kugel drang zwei Zoll tief in das Gehirn des Gentleman und machte seinem Leben und seiner Angst, von einem Tiger gefressen zu werden – wenn er diese Angst gespürt hat, was ich nicht weiß – ein Ende.
    Nach diesem zweiten Versuch sah Corcoran ein, daß es unmöglich war, auf diese Art präzise Informationen über das Vorgehen des Feindes zu erhalten. Doch da ließ sich plötzlich von einer anderen Seite der Stadtmauer, die weniger stark bewacht war, ein entsetzliches Geschrei vernehmen. Etwa zweihundert Engländer waren auf Leitern über die Mauer gestiegen und ergossen sich nun in die Stadt. Schon sah man einige Soldaten vor dem neuen Feind fliehen und die Waffen wegwerfen. „Fürst Holkar“, sagte Corcoran, „bleibt Ihr an der Bresche. Ich will sehen, was ich dort machen kann. Laßt keinen durch. Wenn die Engländer hier eindringen, ist alles verloren, und uns wird nichts weiter übrigbleiben, als ehrenvoll zu sterben.“
    Dann marschierte er mit einem Bataillon, das bisher an der Bresche gestanden hatte, gegen die Engländer, die über die Mauer geklettert waren.
    Seine erste Maßnahme war, die Leitern, auf denen die Engländer die Mauern bestiegen hatten, hochzuziehen, damit von unten keine Verstärkung mehr nachrücken konnte. Dann ließ er eine Straße, in die sie bereits eingedrungen waren, verbarrikadieren, und machte sie so zu einer Sackgasse. Zum Glück war die Straße nicht sehr verwinkelt, und die Arbeit war in kurzer Zeit erledigt. Dann begann er den Feind von verschiedenen Seiten in dieser Straße unter Feuer zu nehmen. Die Engländer wichen zurück, aber der Ausgang war ihnen durch die Barrikade

Weitere Kostenlose Bücher