Die Zaehmung
verblüffte, war seine Genugtuung darüber, daß er doch noch Nachwuchs bekommen sollte mit der Aussicht auf einen Sohn. Helens Worte und Gekreisch waren ihm arg zuwider; aber er war geneigt, ihr jeden Wunsch zu erfüllen — wenigstens so lange, bis sein Sohn gesund auf die Welt gekommen war.
»Ich werde mit ihr reden«, sagte Gilbert seufzend, die Szene fürchtend, die ihm seine Tochter machen würde. Doch inzwischen hatte er begriffen, daß eine der beiden Frauen das Haus verlassen mußte, und da Helen ihm Söhne gebären konnte, war es Liana, die weichen mußte.
Eine Dienerin sagte Liana Bescheid, und Gilbert erwartete sie in einem der Gästezimmer beim Söller. Er hoffte, daß der Regen bald aufhören würde, damit er wieder auf die Falkenjagd gehen konnte und sich nicht mehr mit dieser unseligen Geschichte befassen mußte.
»Ja, Vater?« fragte Liana vom Durchgang her.
Gilbert blickte sie an und zögerte einen Moment. Sie war ihrer Mutter so ähnlich, und er wollte unter allen Umständen vermeiden, sie zu kränken. »Viele Männer haben uns besucht, seit deine Mutter . . .«
»Stiefmutter«, verbesserte Liana ihn. »Seit meine Stiefmutter aller Welt verkündete, daß ich zum Verkauf anstünde, daß ich eine brünftige Stute sei und einen Hengst benötigte. Ja, viele Männer kamen hierher, um unsere Pferde zu besichtigen, unser Gold, unser Land und dann, so ganz nebenbei, auch die reizlose Neville-Tochter.«
Gilbert ließ sich in einen Lehnstuhl fallen. Er betete zu Gott, daß dieser Frauen fortan aus seinem Schöpfungsplan streichen möge. Nur bei Turmfalken sollten weibliche Exemplare noch gestattet sein. Selbst Stuten und Hündinnen durften seiner Meinung nach nicht mehr zugelassen werden. »Liana«, sagte er müde, »du bist so hübsch wie deine Mutter, und wenn ich noch ein einziges Mal an einem Bankett teilnehmen muß mit Männern, die dir mit größter Ausführlichkeit erzählen, wie schön du bist, werde ich die Nahrung verweigern. Vielleicht laß ich mir morgen schon den Tisch in einem der Ställe decken. Die Pferde behelligen mich wenigstens nicht beim Essen mit stundenlangem Gesäusel, wie weiß die Haut meiner Tochter sei, wie strahlend ihre Augen, wie golden ihr Haar und wie rosenrot ihre Lippen.«
Seine Worte ließen Liana offensichtlich kalt. »Du wünschst also, daß ich einen von diesen Heuchlern er-
wähle? Daß ich so leben soll wie Kusine Margaret, während mein Ehemann meine Mitgift verpraßt?«
»Der Mann, den Margaret heiratete, ist ein Dummkopf. Ich hätte ihr das gleich sagen können. Er hat einen Tag lang auf die Falkenjagd verzichtet, um mit der Frau eines anderen ins Heu gehen zu können.«
»Demnach sollte ich wohl einen Mann heiraten, dem die Falkenjagd über alles geht, ja? Wäre dir das recht? Vielleicht wäre es angebracht, ein Turnier mit Falkenjägern abzuhalten, und der Mann mit dem Greifvögel, der die größte Beute schlägt, würde mich als Preis gewinnen. Ein Vorschlag, denke ich, der nicht dümmer ist als jede andere Lösung.«
Gilbert gefiel der Vorschlag recht gut; aber er hütete sich, das auch zu sagen. »Nun hör mir mal zu, Liana. Einige der Männer, die uns besuchten, fand ich recht passabel. Zum Beispiel diesen William Aye. Ein gut aussehender Bursche, wenn du mich fragst.«
»Auch meinen Mägden hat er gut gefallen. Aber der Mann ist dumm, Vater. Ich versuchte mit ihm über die Erblinien der Pferde in seinen Ställen zu sprechen; aber er hatte keine Ahnung, welcher Rasse sie angehören.«
Gilbert blickte seine Tochter betroffen an. Ein Mann sollte über seine Pferde Bescheid wissen. »Und wie steht es mit Sir Robert Fitzwaren? Er scheint mir doch einigermaßen intelligent zu sein.«
»Das hat er jedem erzählt. Er behauptet auch, daß er stark wäre, furchtlos und tapfer. Und daß er jedes Turnier gewonnen habe, an dem er bisher teilgenommen hätte.«
»Aber wie ich hörte, soll er im letzten Jahr viermal aus dem Sattel geworfen worden . . . Ah, ich verstehe, was du meinst: Prahlhänse können sehr ermüdend werden.«
Gilberts Augen leuchteten auf. »Und was hältst du von Lord Stephen, Whitingtons Sohn? Na, wenn das kein
Mann für dich ist! Gut aussehend. Reich. Gesund. Und intelligent dazu. Der Junge weiß, wie man mit einem Pferd und einem Falken umgehen muß.« Gilbert lächelte. »Und ich schätze, das versteht er auch bei Frauen. Ich habe sogar gesehen, wie er dir etwas vorgelesen hat.« Die Kunst des Lesens war in Gilberts Augen nur eine
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