Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition)

Titel: Die Zahl, die aus der Kälte kam: Wenn Mathematik zum Abenteuer wird (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rudolf Taschner
Vom Netzwerk:
Einerstelle 3 und dem Komma die Ziffernfolge
    1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 1 4 2 8 5 7 …
    im endlosen Nacheinander liefert. Folglich stellt die Mathematik schon bei einer sehr einfachen Rechnung, der Division, unendliche Ziffernfolgen bereit. Allerdings ist die eben genannte für eine OTP-Verschlüsselung ungeeignet. Sie besitzt ein so augenfälliges Muster, dass nichts an ihr zufällig ist.
    Vielleicht, so könnte man vermuten, liegt dies daran, dass 22 und 7 ziemlich kleine Zahlen sind. Das stimmt. Wenn man zum Beispiel 355 durch 113 dividiert, bekommt man, wenn man nur lang genug rechnet,
    355 : 113 = 3,141 592 920 353 982 300 884 955 752 212 389 380 530 973 451 327 433 628 318 584 070 796 460 176 991 150 442 477 876 106 194 690 265 486 725 663 716 814 159 292 035 398 …
    Das sieht als Zufallsfolge recht vielversprechend aus, allerdings nur beim ersten Hinsehen. Wenn man seinen Blick schärft, erkennt man, dass am Schluss der dritten Zeile, an der 112. Stelle nach dem Komma, die Ziffernfolge 14 159 292 035 398… wieder auftaucht, die schon zu Beginn nach dem Komma stand. Beim Dividieren sind solche Perioden unvermeidlich. 19 Man müsste schon durch riesige und speziell auf das Dezimalsystem zugeschnittene 20 Zahlen dividieren, um die Periode so lang zu machen, dass sie in der Praxis nicht auftaucht. Aber das Finden geeigneter Divisoren und die Durchführung solcher Divisionen sind sehr rechenaufwendig, wenn man wirklich lange Perioden haben möchte.
    Tatsächlich gibt es recht einfache mathematische Verfahren, die endlose Ziffernfolgen ohne Periode nach dem Komma liefern. Zum Beispiel das Ziehen einer Quadratwurzel. Betrachten wir zum Beispiel die Zahl 10. Sucht man eine Zahl, die quadriert 10 ergibt, wird man nicht fündig. Es ist 3 2  = 3  ×  3 = 9 ein wenig zu klein und 4 2  = 4  ×  4 = 16 viel zu groß. Als aussichtsreiche Kandidaten unter den einstelligen Dezimalzahlen bieten sich 3,1 und 3,2 an, weil 3,1 2  = 3,1  ×  3,1 = 9,61 etwas zu klein und 3,2 2  = 3,2  ×  3,2 = 10,24 etwas zu groß sind. Man kann sich vorstellen, dass sich der Taschenrechner so an den wahren Wert der Wurzel aus 10 herantastet, wenn man ihm den Befehl gibt, die Wurzel aus 10 zu berechnen, und er auf acht Stellen genau 3,1622777 ausspuckt. Das sieht noch nach gar nichts aus. Mit einem etwas besseren Computer bekommt man aber für die Wurzel aus 10
    3, 1 62 2 7 7 660 168 3 79 33 1 998 893 544 432 7 1 8 533 7 1 9 555
1 39 32 5 2 1 6 826 857 504 852 792 594 438 639 238 22 1 344
248 1 0 8 379 300 295 1 87 347 284
1 52 840 055 1 48 548 856 …,
    und hier macht die Ziffernfolge nach dem Komma einen ziemlich chaotischen Eindruck.
    Ist diese Ziffernfolge für die OTP-Verschlüsselung geeignet? Es wäre nicht ratsam, sie dafür heranzuziehen, denn die Codebrecher kennen ihrerseits das Ziehen der Quadratwurzel auch sehr gut. Sie versetzen sich in die Lage derer, die verschlüsseln wollen: Welche Methode zur Erzeugung einer Zufallszahl ziehen sie wohl heran? Am einfachsten wäre die Quadratwurzel einer Zahl, die keine Quadratzahl ist. Also testen die Codebrecher diese naheliegenden Kandidaten und würden wohl in Kürze die Verschlüsselung knacken.
    Selbst die Ziffernfolge unseres Beispiels, die Smiley auf dem Zettel seines Schuhs fand, nämlich
    1 4 1 5 9 2 6 5 3 5 8 9 7 9 3 2 3 8 4 6 2 6 4 3 3 8 3 2 7 9 5 0 2 8 8 …,
    ist in Wahrheit ungeeignet. Nicht weil die Ziffern nicht wirr genug aufeinanderfolgten – das tun sie ziemlich sicher. Sondern weil diese Ziffernfolge vielen Zahlenliebhabern wohlbekannt ist. Es handelt sich um die ersten Stellen nach dem Komma der berühmten Größe π .
    Es war Archimedes – wer sonst als er, der größte aller Mathematiker –, dem es als Erstem gelang, ein Verfahren zu entwickeln, welches das Verhältnis von Umfang zu Durchmesser eines Kreises beliebig genau berechnete. Archimedes selbst nannte dieses Verhältnis noch nicht π . Diese Bezeichnung wählte Jahrhunderte später der aus Wales stammende Gelehrte William Jones – vom griechischen Wort periphéreia inspiriert, das Randbereich bedeutet. Und Archimedes hatte sich wegen des großen Aufwandes der Rechnungen damit begnügt, sein Verfahren nur so weit zu treiben, dass er
π
zwischen die beiden Bruchzahlen 3 +  10 / 71 (sie entspricht modern geschrieben 3,1408 …) und 3 +  1 / 7 (sie entspricht modern geschrieben 3,1428 …) verorten konnte. Erst um 1600 gab Ludolf van Ceulen in

Weitere Kostenlose Bücher