Die Zauberer 01 - Die Zauberer
Nachricht jedoch hatten keiner gerechnet.
»Das kann nicht sein, Vater!«, rief Syolan, der Oberste Schreiber und Chronist von Shakara. »Erforsche dein Herz nach der Wahrheit!«
»Dies ist die Wahrheit, Sohn«, entgegnete der Älteste mit vor Schmerz verkniffener Miene. »Cethegars Geist und der meine waren durch unsichtbare Bande eng miteinander verknüpft. Der Stellvertretende Vorsitzende dieses Rates weilt nicht mehr in dieser Welt, glaubt mir.«
»Aber wie ist das möglich, Vater?«, fragte ein anderer fassungslos. »Cethegar war einer der mächtigsten Zauberer, die dieser Orden jemals gekannt hat.« »Ich weiß«, sagte Semias bitter. »Doch scheint er auf jemanden getroffen zu sein, der noch mächtiger war.«
Noch immer sträubten sich einige dagegen, Semias' Worten Glauben zu schenken, während sich andere bereits der Trauer um ein geschätztes Ratsmitglied hingaben.
»Wenn es wahr ist, was Vater Semias sagt«, verschaffte sich Palgyr irgendwann über das aufgeregte Geraune der anderen Ratsmitglieder hinweg Gehör, »so müssen wir reagieren. Der Tod eines so großen und einflussreichen Zauberers darf nicht ohne Folgen bleiben.«
Von seinen Anhängern kam lautstarke Zustimmung. Fäuste wurden geballt, Trauer und Fassungslosigkeit schlugen in Zorn und Aggression um. »Was schlägst du vor, Bruder Palgyr?«, fragte Semias mit resignierendem Kopfschütteln. »Was auch immer wir unternehmen, Cethegar wird davon nicht wieder lebendig. Nichts kann den Verlust, den wir erlitten haben, wiedergutmachen und die Lücke füllen, die Cethegar hinterlässt.« »Das ist mir klar, und es liegt mir fern zu behaupten, jemals in seine Fußstapfen treten zu können, Vater«, konterte Palgyr ebenso beredt wie schmeichlerisch. »Aber wir sollten in dieser dunklen Stunde nicht in Trauer verfallen, sondern uns auf das besinnen, was wir tun können und müssen. Denn so erschütternd Cethegars Tod für uns alle sein mag, unsere Sorge hat zuvorderst den Lebenden zu gelten.«
»Wohl gesprochen, Bruder«, stimmte Labhras zu, Palgyrs loyaler Parteigänger.
»Wir alle wissen«, fuhr Palgyr fort, »dass Cethegar Shakara verlassen hat, um in unser aller Auftrag den angeblichen Überfall auf die Grenzfestung CarrygFin zu untersuchen, zusammen mit zwei weiteren Angehörigen dieses Rates, nämlich Bruder Farawyn und Schwester Riwanon. Wenn Cethegar nun also Unheil widerfahren ist - und daran zweifle ich nach Vater Semias' Worten nicht -, so bedeutet dies, dass auch die anderen Teilnehmer des Unternehmens in großer Gefahr schweben. Ihnen sofort und ohne Zögern beizustehen, muss unser vorrangiges Ziel sein, ehe wir uns der Trauer um ein so hohes und angesehenes Mitglied unseres Ordens hingeben.«
»Aber was schlägst du vor, Palgyr?«, verlangte Semias zu wissen. »Dass wir einen weiteren Erkundungstrupp entsenden, der dem ersten zu Hilfe kommt?«
»Genau das, Vater«, bestätigte Palgyr, »und ich zögere keinen Augenblick, mich hierfür freiwillig zu melden.«
»Du?«, fragte Semias, und aller Augen richteten sich auf Palgyr. »Ja, ich«, versicherte dieser genüsslich und wandte sich an die ganze Versammlung, indem er effektheischend die Arme hob. »Jeder von euch weiß, dass Bruder Farawyn und ich nicht immer einer Meinung waren und dass wir hier, im Licht des Kristalls, manchen Disput erbittert ausgetragen haben. Dies bedeutet jedoch nicht, dass ich Farawyn nicht zu schätzen wüsste oder mir nicht an seinem Wohlergehen läge. Aus diesem Grund möchte ich es sein, der in offiziellem Auftrag an die südliche Grenze des Reichs geschickt wird, um nach unserem Bruder und unserer Schwester sowie ihren Novizen zu suchen. Nehmt es als Zeichen dafür, dass ich mich trotz mancher
Meinungsverschiedenheit mit Farawyn und dem Ältesten Semias treu zum Orden und seinen Mitgliedern bekenne.«
Von Palgyrs Flügel kam tosender Beifall, und selbst auf der anderen Seite der Halle wusste man kaum anders als mit Zustimmung zu reagieren. Codan, Syolan und den anderen Ratsmitgliedern des linken Flügels kam es zwar seltsam vor, dass sich ausgerechnet Farawyns erbittertster Gegner so vehement für dessen Rettung einsetzte, jedoch wollte keiner von ihnen die ohnehin schon prekäre Lage noch komplizierter machen. Für Parteigezänk war dies die falsche Zeit, denn zumindest in einer Hinsicht hatte Palgyr in jedem Fall recht: Jedes Zögern konnte den Tod Farawyns und Riwanons bedeuten.
Vorausgesetzt, sie waren überhaupt noch am Leben ...
Semias, der
Weitere Kostenlose Bücher