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Die Zauberquelle

Titel: Die Zauberquelle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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rang um einen Entschluß.
    »Ich bin auch dieser Ansicht«, sagte Graf von Warwick, einer der Kommandeure, die den Herzog begleiteten.
    »Jemand muß dem König sagen, daß er Gefahr läuft, an einem einzigen Tag alles zu verlieren, was er in zwanzig Jahren errungen hat«, sagte der Herzog ruhig. Und im stillen dachte er, und dieser Jemand bin gewißlich ich. Herr, DEIN Wille geschehe.

    Am nächsten Tag blickten die Bogenschützen von der Stadtmauer auf eine Wüstenei aus zerstampftem Morast und Abfall und überall verstreut liegenden Pferdekadavern. Jenseits der sanft gewellten vernichteten Felder zog in der Ferne ein Heerwurm aus Vorratskarren, Fußsoldaten und Berittenen in Richtung Chartres. Die Nachhut, ein Kommando aus Reitern und Bogenschützen, deren Fahnen im eisigen Wind flatterten, schützte die letzten Vorräte vor Verfolgern aus der Stadt. Schwarze Wolken zogen über den Himmel, und der Wind trug den Glockenklang von Notre Dame herüber. Man feierte unter den hohen dämmrigen Gewölben den Abzug mit einem Te Deum.
    Was für ein seltsamer Wind, dachte Gilbert. Wie er die schwarzen Wolken zusammentreibt. Hoffentlich regnet es nicht zu sehr. Er trug eine gefütterte Kappe unter dem Spitzhelm und hatte den hohen Kragen seines Wollkittels unter der Halsberge seines Kettenpanzers hervorgezogen, und zwischen Kittel und Kettenpanzer schützte ihn ein gestepptes Lederwams, dennoch fror ihn. Die ersten Regentropfen fielen auf seinen langen, mit dem Wappen der de Vilers bestickten Waffenrock, so daß er am Brustharnisch klebte. Verdammt, dachte er, jetzt muß er wieder entrostet werden. Beste Qualität, die Rüstung, neu, beim teuersten Waffenschmied von ganz London gekauft und noch nicht bezahlt. Ich hätte Lombarde werden sollen, schoß es ihm durch den Kopf. Diese Geldverleiher verdienen immer, ganz gleich, wer Sieger ist. Aber sein täglich Brot mit Geldverleihen zu bestreiten – das Gewerbe ist denn doch zu niedrig für unsereinen. Nur daß ich gerade jetzt etwas darum geben würde, von niedrigerer Herkunft zu sein und es mir bei Margaret zu Hause heimelig zu machen. Den Geldverleiher muß man mit der Laterne suchen, der während eines Unwetters auf einem verrückten Pferd die Nachhut eines sich zurückziehenden Heeres deckt.
    Auf einer Seite des sich dahinschlängelnden Heerwurms aus Karren, Packtieren und Männern sah man einen ehemaligen Obstgarten, von dem nur noch Baumstümpfe übriggeblieben waren. Auf der anderen Straßenseite erstreckten sich abgebrannte Felder bis hin zu den Ruinen eines Dörfchens. Hier und da breitete noch ein alter Baum seine Äste aus, weil er zu dick zum Abhacken gewesen war. Aber während Gilbert noch die sich dahinquälende Heersäule musterte, kam aus den schwarzen Wolken über ihm ein fernes Donnergrollen und ein Blitz. Ein weiterer zuckte über den Himmel, gefolgt von einem gewaltigen Donnerschlag, diesmal viel näher. Urgan verdrehte die Augen, zuckte mit den Ohren und blieb stehen, am ganzen Leib zitternd. Gilbert wollte ihm die Sporen geben, als er ein Rauschen vernahm und Eishagel auf ihn niederprasselte. Vor ihm senkte sich eine weiße Mauer herab, dicke Körner, größer als Taubeneier, schlugen auf seinen Helm, schleuderten Tiere und Soldaten zu Boden. Die vom Himmel herabzüngelnden Blitze schienen es auf die Ritter hoch zu Roß in ihrer nassen Rüstung abgesehen zu haben. Vor ihm hielten sich Fußsoldaten, die der Angriff vom Himmel in die Knie gezwungen hatte, ihre Schilde über den Kopf. Es krachte gräßlich, und direkt vor ihm brach ein Ritter mit seinem Pferd zusammen, vom Blitz erschlagen. Und da ging Urgan auch schon unter gespenstischem Gewieher durch, war so außer sich, daß er die schwere Kandare nicht mehr spürte und wie ein Wilder unter den Schutz des nächsten Baumes flüchtete. Unter den ausgebreiteten Ästen konnte Gilbert ihn endlich zum Stehen bringen. Ein blendender Blitz, ein Krachen, und Gilbert de Vilers war für eine Weile nicht mehr von dieser Welt.

    »Na, Bruder Gregory, Ihr wolltet doch immer Gott sehen, jetzt habt Ihr Gelegenheit dazu.« Die Stimme gehörte Godric von Witham, dem Abt, der ihn aus dem Kloster geworfen hatte, weil er der Auslegung des Erlösungsbegriffs bei Paulus widersprochen hatte. Ein paar andere Dinge waren noch dazugekommen, die Gilbert jedoch nie ernst genommen hatte. Was für ein engstirniger alter Mann; er konnte einfach nicht zugeben, wenn er sich geirrt hatte. Sogar noch schlimmer als Vater.
    »Ich habe gar

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