Die Zauberquelle
hochgekrempelt, und während sie Wasser auf die grünen Blätter und an die Wurzeln goß, hörte ich sie summen und reden; obwohl ich die Worte nicht verstehen konnte, wußte ich, daß sie den Pflanzen galten. Mutter Hilde spricht auch mit den Kohlköpfen, und die stehen immer prächtig und groß, und ihre Rosen und Bohnen gedeihen wie freie Bürger.
»Ei, da ist ja Margaret«, sagte sie, als ich sie von der Straße aus begrüßte. »Und die Mädchen auch! Immer herein – die Tür ist nicht verriegelt, aber Malachi ist im Hinterzimmer. Macht keinen Lärm. Er probiert seit Tagen ein neues Verfahren aus.«
Ganz wie in alten Zeiten, dachte ich, als Bruder Malachi immer überzeugt war, daß er nächste Woche, nächsten Monat, nächstes Jahr hinter das Geheimnis des Steins der Weisen kommen würde. Und dazumal lebte ich bei ihnen, ein armes Ding frisch vom Lande, und Mutter Hilde war meine Lehrmeisterin. Obwohl es heute, da ich mich in höheren Kreisen bewege, nicht schicklich ist, dergleichen zu erwähnen. Dann heiratete mich Master Kendall, damit ich seine Gicht heilen sollte, und machte mich wohlhabend. Zugleich spielte er mit dieser Heirat seiner habgierigen Familie, die nur untätig herumhockte und auf das Erbe wartete, einen Streich. Was Bruder Malachi angeht, so weiß ich nicht, ob er jemals ein richtiger Mönch gewesen ist, denn solange ich ihn kenne, ist er ein berühmter Alchimist, der einfallsreichste Geist und der größte Roßtäuscher in fünf Königreichen.
»Mutter Hilde«, sagte ich, als sie sich in dem buntbemalten kleinen Raum, der ihre ›Diele‹ darstellte, zu uns gesellte, »hat Malachi noch immer nicht aufgegeben? Mir will scheinen, daß der Stein sehr schwer zu finden ist.«
»Aufgegeben? O nein, er begeistert sich immer mehr dafür. Er sagt, daß er ein neues Verfahren entdeckt hat, wie man die schwarze Krähe dazu bringt, von Sol und Luna in eine Destillierflasche zu fliegen. Aber das ist alles viel zu hoch für mich, wie du weißt. Was für ein Hirn, was für ein brillantes Hirn! Ei, allein ihn darüber reden zu hören ist schon ein Geschenk – all die Weisheit und die fremdländischen Wörter. Sag, Alison, warum blickst du dich so im Zimmer um? Hast du etwa an die Honigplätzchen gedacht, die ich gestern gebacken und vielleicht aufgehoben habe, falls du mich besuchst?« Alison strahlte erwartungsfroh, und Cecily blickte auf ihre Zehen. »Ihr sollt beide welche haben, während ich eurer Mutter die böse Schwellung hier an meiner linken Hand zeige.«
»Wirklich, Mutter Hilde, du hättest mich früher rufen sollen«, sagte ich, als ich das steife, geschwollene Gelenk sah.
»Mädchen, schließt bitte die Läden«, rief Mutter Hilde meiner gierigen Brut zu. In abgedunkelten Räumen ist mein Leuchten immer zu sehen, und man soll die Nachbarn nicht in Unruhe versetzen. Ich richtete meine Gedanken auf das Nichts, das größer ist als alles, und dann fingen die Ränder des Nichts an zu leuchten. Ich spürte, wie mir das machtvolle Licht knisternd das Rückgrat hochstieg und dann meine Hände erreichte. Ich nahm Mutter Hildes knotige Hände in meine und ließ die Hitze hineinströmen, und schon schwoll das Gelenk ab. Rotgoldenes Licht erfüllte den Raum, vergoldete die Gesichter der Kinder und verwandelte gewöhnliche Töpfe und Tonkrüge in glänzendes Altgold. Es schimmerte auf den farbenprächtigen Figuren des Tierkreises zwischen den hellrot und grün bemalten Deckenbalken in des Alchimisten seltsamer Diele. Es floß wie Flüssigkeit in Zwischenräume, heilte und verwandelte. Mutter Hildes Hand fühlte sich nun weicher an, und die Hitze darin war gleichmäßig geworden. Ich ließ das Licht noch ein wenig verweilen und sah es dann mit Bedauern schwinden, während sich das Zimmer wieder in seinen Urzustand verwandelte. Ich war matt und schwach wie immer nach dem Handauflegen. Aber das hier war ein leichter Fall, die Mattigkeit würde schnell vergehen. Nach einem schwierigen Fall muß ich zuweilen tagelang das Bett hüten. Und wenn ich schwanger bin, zieht sich mein Licht nach innen zurück und kräftigt das Kind, und ich kann überhaupt nicht heilen; damit dürfte klar sein, warum Gott meiner Meinung nach ein Spaßvogel ist.
»Nun, wie ist die Hand? Laß sehen, ob du sie bewegen kannst.«
»Ei, so gut wie neu, Margaret«, sagte Mutter Hilde und wackelte glücklich mit den knotigen Fingern. »Mit der Hand helfe ich noch manch hübschem Baby auf die Welt.« Sie legte den Kopf schief und
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