Die Zeit der Hundert Königreiche - 4
anziehen kann. Sieh doch, wie niedlich, deine Mutter hat sie passend zu dem Gewand gemacht, blaues Leder mit Perlen! Wie hübsch du bist, Carlie, wie eine blaue Blume! Ich muß noch die Bänder in deinem Haar befestigen. Ich glaube nicht, daß es heute nacht irgendwo in neun Königreichen eine schönere Braut gibt! Und Bard sieht wirklich gut genug aus, um deiner würdig zu sein, so hell, wo du so dunkel bist … «
»Welch ein Jammer«, stellte Carlina trocken fest, »daß er dich nicht heiraten kann, Amme, da er dir so gut gefällt.«
»Komm, komm, mich würde er nicht wollen, alt und verschrumpelt, wie ich bin«, wies Ysabet sie zurecht. » Ein schöner junger Krieger wie Bard muß eine schöne junge Braut bekommen, und so hat dein Vater es befohlen… Ich weiß überhaupt nicht, warum ihr nicht heute nacht auch gleich verheiratet und zu Bett gebracht werdet! « »Weil«, antwortete Carlina, »ich meine Mutter inständig darum bat, und sie sprach für mich bei meinem Vater und Herrn. Da stimmte er zu, daß ich nicht verheiratet werden soll, bis ich mein fünfzehntes Jahr vollendet habe. Die Hochzeit wird zum Mittsommer-Fest in einem Jahr ab heute stattfinden.«
»Wie hältst du es aus, so lange zu warten? Evanda segne dich, Kind, wenn ich einen so hübschen Liebhaber hätte wie Bard, könnte ich nicht so lange warten … « Sie sah Carlina zusammenzucken und sprach sanfter weiter. »Fürchtest du dich vor dem Ehebett, Kind? Es ist noch keine Frau daran gestorben, und ich habe keinen Zweifel, daß du es angenehm finden wirst. Aber für den Anfang macht es doch schon etwas aus, daß dein Mann kein Fremder, sondern ein Spielgefährte und außerdem dein Pflegebruder ist.«
Carlina schüttelte den Kopf. »Nein, das ist es nicht, obwohl ich, wie ich schon sagte, keine Lust zum Heiraten habe. Ich würde mein Leben lieber in Keuschheit und mit guten Werken unter den Priesterinnen Avarras zubringen.«
»Der Himmel schütze uns!« Die Frau machte eine schockierte Geste. »Das würde dein Vater nie erlauben!«
»Das weiß ich, Amme. Die Göttin weiß, ich habe ihn angefleht, mir diese Heirat zu ersparen und mich gehen zu lassen. Aber er erinnerte mich daran, ich sei eine Prinzessin, und es sei meine Pflicht zu heiraten und seinem Thron starke, mächtige Verbündete zuzubringen. So wie meine Schwester Amalie bereits König Lorill von Scathfell als Braut gesandt wurde. Jenseits des Kadarin, das arme Mädchen, allein in diesen nördlichen Bergen, und meine Schwester Marilla ist im Süden in Dalereuth verheiratet …«
»Ärgert es dich, daß sie mit Prinzen und Königen verheiratet wurden und du nur den Bastard des Bruders deines Vaters bekommst?« Carlina schüttelte den Kopf. »Nein, nein«, sagte sie ungeduldig. »Ich weiß, was mein Vater im Sinn hat. Er möchte Bard mit einem starken Band an sich fesseln, damit er eines Tages sein stärkster Kämpfer und Beschützer ist. An mich oder Bard hat er keinen Gedanken verschwendet. Das ist nur eins der Manöver meines Vaters, Thron und Königreich zu schützen!«
»Nun, die meisten Ehen werden aus weniger guten Gründen geschlossen«, meinte die Amme.
»Aber es wäre nicht notwendig!« brach es aus Carlina hervor. »Bard würde sich mit jeder Frau zufriedengeben, und mein Vater hätte irgendeine von hohem Rang finden können, die Bards Ehrgeiz Genüge tun würde! Warum muß ich gezwungen werden, mein Leben mit einem Mann zu verbringen, dem es ganz gleichgültig ist, ob ich es bin oder eine andere, solange sie nur seinem Ehrgeiz dienlich ist und ein hübsches Gesicht und einen willigen Körper hat? Avarra erbarme sich, glaubst du, ich weiß nicht, daß schon jedes dienende Mädchen in der Burg sein Bett geteilt hat? Sie prahlen hinterher damit!«
»Was das betrifft«, sagte Ysabet, »so ist er nicht besser und nicht schlechter als jeder deiner Brüder und Pflegebrüder. Du kannst es einem jungen Mann nicht verübeln, wenn er hinter den Mädchen her ist. Und wenigstens beweist ihre Prahlerei, daß er weder impotent noch ein Liebhaber von Männern ist! Wenn ihr verheiratet seid, mußt du ihm einfach in deinem Bett genug zu tun geben, um ihn aus anderen herauszuhalten.
Carlina ließ sich anmerken, daß die vulgäre Bemerkung ihr mißfiel. »Ich gönne ihnen Bard und sein Bett<” erklärte sie, »und ich werde ihnen den Platz darin nicht streitig machen. Aber ich habe Schlimmeres gehört. Er erkennt keine Weigerung an. Wenn ein Mädchen ihm nein sagt oder wenn er Grund zu der Annahme
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