Die Zeit der Hundert Königreiche - 4
er allzu weit gediehen war. Bald war alles ruhig. Bard hörte von Melisandra, daß eine Dame der im Exil weilenden Königin Geremy Hasturs Kind trage und darum gebeten habe, seine Gefangenschaft zu teilen.
»Ich wußte nicht, daß Geremy eine Liebste hatte. Kennst du ihren Namen?«
»Ginevra«, antwortete Melisandra, und Bard hob die Augenbrauen. Er erinnerte sich an Ginevra Harryl.
»Du bist eine Leronis«, sagte er. »Kannst du bei ihr keine Fehlgeburt oder etwas dieser Art hervorrufen? Es ist schlimm genug, den einen Hastur gefangenzuhalten, auch ohne eine Dynastie ins Leben zu rufen. «
Melisandras Augen funkelten vor Zorn. »Keine Leronis würde ihre Macht so mißbrauchen! «
»Hältst du mich für einen Einfaltspinsel, Weib? Erzähl mir keine Märchen über eure Tugend! Jede Troßdirne, die gegen ihren Willen schwanger wird, weiß eine Zauberin, die ihr diese unwillkommene Bürde abnimmt! «
In weißglühendem Zorn gab Melisandra zurück: »Wenn die Frau das Kind nicht zu einem Leben voll Elend gebären will, weil sie auf einem Feldzug ist oder keinen Vater dafür hat oder in Armut lebt oder weiß, sie wird keine Milch für es haben - dann wird sich zweifellos eine Leronis ihrer erbarmen! Aber ein heißersehntes Kind töten, nur weil irgendein Mann es als politische Bedrohung ansieht?« Ihre Augen flammten ihn an. »Hast du geglaubt, ich hätte dein Kind gewollt, Bard di Asturien? Aber es war geschehen und nicht wiedergutzumachen, und was sich daraus auch entwickeln mochte, ich hatte das Gesicht verloren … Deshalb hütete ich mich, ein unschuldiges Leben zu vernichten, obwohl ich es nicht gewünscht hatte.
Und wenn ich es in diesem Fall nicht tat, glaubst du dann, ich würde Ginevras Kind auch nur in Gedanken ein Leid zufügen? Ginevra liebt ihr Kind und seinen Vater! Wenn du jemanden brauchst, der die schmutzige Arbeit für dich tut, schicke einen Mann, der ihr die Kehle mit dem Schwert durchschneidet, dann hast du Ruhe!«
Bard wußte darauf nichts zu antworten. Es war ein unangenehmer Gedanke, daß Melisandra sich so leicht von dem Kind hätte befreien können. Warum hatte sie es nicht getan?
Und nun hatte er das Problem Ginevra am Hals. Diese verdammten Weiber und ihre idiotischen Skrupel! Melisandra hatte in der Schlacht schon getötet, das wußte er. Und hier war ein potentieller Feind der di Asturiens, gefährlicher als einer, der Schwert oder Pike trug, und dieser Feind sollte leben! Er würde sich nicht erniedrigen, indem er sich mit ihr herumstritt, aber sie sollte sich vorsehen, daß sie ihn nicht noch einmal erzürnte! Das sagte er ihr und ließ sie stehen.
Gezwungen, über die Frau nachzudenken, die er hatte und nicht wollte, mußte er auch an die Frau denken, die er wollte und nicht haben konnte. Und nach einer Weile fiel ihm eine Möglichkeit ein, wie er Ginevra und ihr ungeborenes Kind für seine Zwecke benutzen konnte.
Als im Land wieder Ruhe herrschte und die Soldaten nach Hause zurückgekehrt waren, ausgenommen das stehende Heer, das Bard für die Verteidigung und vielleicht auch für den Angriff ausbildete (denn er wußte genau, eines Tages würden die Hasturs über ihn herfallen, ob er Geiseln hatte oder nicht), verlor Lady Jerana keine Zeit, an den Hof überzusiedeln. Bard suchte sie in den Räumen auf, die Königin Ariel gehört hatten.
»Ist Lady Ginevra Harryl, die ein Kind von Hastur erwartet, gesund und wohl?« erkundigte er sich. »Wann wird sie zu Bett gebracht werden?«
»Vielleicht in drei Monden«, antwortete Lady Jerana.
»Wollt Ihr mir einen Gefallen tun, Pflegemutter? Sorgt dafür, daß sie jede Bequemlichkeit hat, daß ihrem Rang entsprechende Damen um sie sind und eine zuverlässige Hebamme bereitsteht.«
Lady Jerana runzelte die Stirn. »Das ist alles längst geschehen. Sie hat drei Kammerfrauen, die für ihre den Hasturs freundliche Einstellung bekannt sind, und die Hebamme, die deinen eigenen Sohn zur Welt gebracht hat, wartet ihr auf. Aber ich kenne dich zu gut, um zu glauben, daß du dies aus Freundlichkeit gegen Lady Ginevra tust.« »So? Hast du vergessen, daß Geremy mein Pflegebruder ist?« Jerana blickte skeptisch drein, und Bard sagte nichts mehr. Doch später an diesem Tag, als er sich selbst überzeugt hatte, daß alles, was Dorn Rafaels Frau gesagt hatte, der Wahrheit entsprach, begab er sich in Geremys Räume.
Geremy saß mit einem der Pagen, die zu seiner Bedienung abgestellt waren, bei einem »Burgen« genannten Spiel. Als Bard eintrat, legte er die Würfel
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