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Die Zeit der hundert Königreiche

Die Zeit der hundert Königreiche

Titel: Die Zeit der hundert Königreiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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aus Carlinas Gedanken entnommen. »Aber Ihr müßt sofort reiten. Ich lasse eine Tragbahre kommen, mit der Eure Schwester ins Lazarett gebracht werden kann.« Er ging zu den Soldatenunterkünften zurück und rief nach einer Tragbahre. In wenigen Minuten hatte man die kranke Frau vorsichtig daraufgelegt, und ihre Schwester/Freundin beugte sich über sie.
    »Tresa, Breda , diese Leute werden dich zu einer Leronis bringen, die dir besser helfen kann als ich …«
    Sie wandte sich Bard zu. »Mir ist es gar nicht lieb, daß ich sie bei Fremden zurücklassen muß …«
    Er antwortete: »Ich selbst werde sie in die Hände der Leronis geben, Mestra , aber Euch obliegt eine Aufgabe, die nur eine Frau erfüllen kann. Kein Mann vermag sich dem See des Schweigens zu nähern.« Carlina würde für die Kranke sorgen, und wenn Carlina es aus dem einen oder anderen Grund nicht konnte, war er überzeugt, daß Melora wußte, was für sie zu tun war.
    Carlina ging immer noch, ohne an etwas anderes zu denken, zwischen dem einen Raum, in dem die verletzten Frauen lagen, und dem anderen, der die Entbindungsstation darstellte, hin und her, als Bard die kranke Frau hereintragen ließ. Melora wickelte ein neugeborenes Kind.
    »Ich habe noch eine, der ihr helfen müßt.« Bard erklärte, was geschehen war.
    »Ja, natürlich, ich werde mich um sie kümmern«, versprach Carlina, und Bard meinte, Verwirrung in ihrem Blick zu lesen. Seit wann kümmerst du dich höchstpersönlich um solche Dinge?
    Zu seiner Verteidigung erklärte er ärgerlich: »Sie ist Soldat und Kriegsgefangene, und es waren meine Männer, die sie verletzt haben, verdammt noch mal! Bist du zu tugendhaft, sie zu pflegen?«
    »Natürlich nicht, Bard«, protestierte Carlina. »Ich habe dir doch gesagt, wir werden sie pflegen. Ihr da …« – sie winkte die Frauen heran, die den Soldaten die Bahre abgenommen und darauf bestanden hatten, sie selbst zu tragen – »… ich kann jedes Paar Hände brauchen! Auch die unter euch, die überhaupt keine Ahnung von Krankenpflege haben, können die Leute füttern und Tabletts tragen und Wasser kochen und Brei machen!«
    Bard warf einen Blick nach draußen. Der Himmel wurde hell. Es war kurz vor Sonnenaufgang. »Ich werde die Köche der Armee herschicken. Sie können den Brei kochen«, versprach er. Jeder Soldat im Dienst konnte mit dieser Botschaft losgeschickt werden, und so kostete es ihn nur ein paar Minuten, die Sache zu erledigen und einen Unteroffizier abzustellen, der Meister Gareth und Varzil zur persönlichen Verfügung stehen sollte. Der Mann war ein Veteran, der viele Feldzüge unter Bard mitgemacht hatte und gar nicht auf den Gedanken kam, Bards Identität in Frage zu stellen. Er salutierte und sagte: »Wie der Lord General wünscht.« Bard dachte darüber nach, daß sein Vater Paul auf diese Welt geholt hatte, damit Bard praktisch an zwei Stellen gleichzeitig sein könne. Nun, so war es jetzt. Der Lord General, der eben gekrönte König, befand sich mit seiner frischgebackenen Königin in der königlichen Suite, und der Lord General war hier unten und gab im Feldlazarett Befehle.
    Für meinen Vater war ich nur das Werkzeug zur Ausführung seiner ehrgeizigen Pläne!
    Das hatte er sein ganzes Leben lang geglaubt. Aber jetzt erkannte er, daß es nicht wahr war. Denn lange bevor Dom Rafael di Asturien wissen konnte, ob aus seinem Sohn ein Soldat oder Staatsmann oder ein Laranzu oder ein dummer Tunichtgut werden würde, hatte sein Vater ihn seiner Mutter weggenommen und in seinem eigenen Haus großgezogen. Er hatte Unterricht in allen einem Mann anstehenden Künsten erhalten, die Lady war seine Pflegemutter gewesen, er hatte Pferde und Hunde und Falken gehabt. Ihm war die ganze Erziehung des Sohns eines Edelmannes zuteil geworden. Und dann hatte Dom Rafael sich der Gesellschaft seines Sohns, was sie auch wert sein mochte, beraubt, damit er am Hof mit Prinzen und Adligen als Pflegebrüder aufwachsen konnte. Ja, sein Vater hatte ihn selbstlos geliebt, er hatte nicht nur Nutzen aus ihm ziehen wollen. Und sogar die Mutter, die auf ihn verzichtet hatte – Bard blickte in das Morgenrot über den zerklüfteten Zähnen der Kilghardberge, wo gerade die große rote Sonne aufging. Er sah jetzt ein, daß auch seine Mutter ihn geliebt haben mußte. Sie mußte ihn genug geliebt haben, um ihr Kind herzugeben, damit es als Sohn eines Edelmanns erzogen werden konnte und es nicht nötig hatte, seinen Lebensunterhalt auf einem kargen Berghof

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