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Die Zeit der hundert Königreiche

Die Zeit der hundert Königreiche

Titel: Die Zeit der hundert Königreiche Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Grunde war er nicht mehr zu tadeln als jeder andere Mann auf seiner Welt. War dann die ganze Welt zu tadeln?
    »Nun, Hauptmann«, fragte eine der Troßdirnen, »suchst du ein bißchen Vergnügen?«
    Er schüttelte den Kopf. Offensichtlich hatte sie ihn nicht erkannt und hielt ihn für einen gewöhnlichen Soldaten; der Hauptmann war eine Schmeichelei, nicht mehr. »Nicht heute abend, mein Mädchen, ich habe wichtigere Dinge im Kopf. Kannst du mir sagen, wo die geschworenen Schwestern, die Entsagenden, untergebracht sind?«
    »Von dem Paar könnt Ihr kein Vergnügen erwarten, Sir«, antwortete das Freudenmädchen. »Sie haben Dolche statt Küsse zu vergeben, und der General sagt, wer sich an sie heranmacht, bekommt Schlimmeres zu spüren.«
    Bard grinste freundschaftlich. »Ob du es glaubst oder nicht, Hübsche, hin und wieder hat ein Mann etwas anderes zu tun, so unvorstellbar das auch sein mag.« Das Mädchen war ein gutmütiges Ding. »Ich habe eine Botschaft für sie von der …« – Bard zögerte »… der Leronis , die im Feldlazarett arbeitet. Vielleicht könntest auch du dich entschließen, dort zu helfen – es gibt Arbeit für jeden.«
    Sie blickte auf den Kies zu ihren Füßen nieder. »Was könnte eine wie ich schon tun, um einer Leronis zu helfen, Sir?«
    »Nun, Wasser tragen und Verbandsmaterial aufrollen und Leute füttern, die nicht imstande sind, zu sitzen und selbst zu essen«, sagte Bard. »Warum probierst du es nicht einmal?«
    »Ihr habt recht, Sir, jetzt ist nicht die richtige Zeit, bei verwundeten Männern zu liegen«, antwortete das Mädchen. »Ich glaube, viele von uns würden bei der Krankenpflege mitarbeiten. Ich will gehen und sie fragen. Und wenn Ihr die Schwesternschaft sprechen wollt, Sir, so sind zwei davon in dem Zelt dort, aber …« – sie funkelte ihn an – »… kommt nur nicht auf schmutzige Gedanken! Die eine von ihnen ist so krank, daß sie sich nicht hochsetzen kann, und die andere hat nur im Sinn, sie zu pflegen. Die Männer haben sie erwischt, bevor der General seine Befehle gab, und es ist mit den Schwestern nicht wie mit … mit Frauen wie mir, Sir. Sie war nicht daran gewöhnt – und sie ist ziemlich schlimm verletzt worden.« Ihr Gesicht war sehr finster. »Solche Männer sollten strenger bestraft werden als nur mit Auspeitschen, Sir.«
    Avarra sei mir gnädig! Von neuem überflutete Bard das Gefühl brennender Scham und Schuld. Zur Überraschung der Frau antwortete er: »Du hast vollkommen recht.« Damit ging er zu dem ihm bezeichneten Zelt. Er wagte nicht einzutreten. Die Frauen drinnen würden wahrscheinlich nach allem, was sie durchgemacht hatten, erst zuschlagen, wenn ein Mann in ihre Nähe kam, und dann Fragen stellen. Leise rief er von draußen: » Mestra …«
    Eine Frau erschien in der Zeltöffnung, kroch heraus und stand auf. Sie trug die Tunika der Schwesternschaft aus rotem Leder, knielang und vorn des bequemeren Reitens wegen geschlitzt. Ihr kurzgeschnittenes Haar war völlig zerzaust. Sie sagte heftig: »Sprich leise! Meiner Schwester geht es sehr schlecht!« Sie war groß und dünn und trug ein Messer im Gürtel. Ein goldener Reifen schimmerte in ihrem Ohr.
    »Das tut mir leid«, erwiderte Bard, »aber ich habe eine Botschaft von der Leronis im Lazarett. Ich brauche einen Eilboten nach Marenji und dem See des Schweigens.« Er erklärte ihr die Sache, und die Frau sah ihn beunruhigt an. Bard trat in das Licht einer Laterne, die über der Lagerstraße von einem Pfosten hing, und da erkannte sie ihn.
    »Lord General! Nun, Sir, ich würde gern reiten, aber … aber meine Schwester braucht mich dringend, Sir. Ihr habt gehört, was geschehen ist …«
    »Ja, ich weiß. Aber wollt Ihr sie nicht ins Feldlazarett bringen? Wenn es ihr so schlecht geht, braucht sie mehr Pflege, als Ihr ihr zukommen lassen könnt, und bestimmt wird die Priesterin Avarras ihr helfen.«
    Die Entsagende betrachtete ihn mit düsterem Gesicht, aber die Tränen standen ihr in den Augen. »Die Priesterinnen … das sind heilige Jungfrauen, Sir, und sie werden mit der Schwesternschaft nichts zu tun haben wollen. Zweifellos halten sie uns nicht für anständige Frauen. Und was werden sie von einer Frau denken, die wieder und wieder vergewaltigt worden ist, und … und sie ist angesteckt , Sir …«
    »Ich glaube, Ihr werdet feststellen, daß sie mehr Verständnis haben, als Ihr annehmt«, versicherte Bard. »Die Priesterinnen Avarras haben geschworen, allen Frauen zu helfen.« Das hatte er

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