Die Zeit der hundert Königreiche
nie weh tun willst.« Sie sah ihn mit einer Bitterkeit an, die ebenso groß war wie seine eigene. »Gilt das nur, wenn ich allem zustimme, was du von mir willst? Glaubst du, es sei keine Vergewaltigung, weil ich deine versprochene Frau bin? Ich liebe dich als Pflegebruder und Freund, und wenn die Göttin uns beiden gnädig ist, werde ich dich eines Tages als den Gatten, den mein Vater mir gegeben hat, lieben. Aber die Zeit ist noch nicht gekommen. Mir ist versprochen worden, daß die Heirat erst zu Mittsommer stattfinden soll. Bard, ich bitte dich sehr, laß mich!«
»Damit dein Vater Zeit genug hat, seine Meinung über mich zu ändern? Damit Beltran sein Gemüt gegen mich vergiften kann, und dann gibt er dich seinem Liebsten?«
»Wie kannst du es wagen, Geremy so zu bezeichnen?« fragte sie wütend, und irgendwie brachte dieser Name Bards Zorn erst richtig zum Auflodern.
»So besorgt bist du um seine Ehre, um diesen Ombredin , diesen Halbmann …«
»Sprich nicht so von meinem Pflegebruder!«
»Ich spreche, wie ich will, und keine Frau wird mich daran hindern!« schrie er sie an.
»Bard, du bist betrunken, da spricht der Wein, nicht du«, sagte sie, und das genügte, daß er völlig die Beherrschung verlor. Er hatte Melora aus Achtung vor Carlina gehen lassen! Wie konnte sie es jetzt wagen, ihn zu verschmähen, als sei er für sie ein Nichts? Er würde sich nicht zweimal in einer Mittwinternacht durch die Launen irgendeiner verdammten Frau zum Un-Mann machen lassen! Er zerrte sie auf die Galerie und packte sie so fest, daß sie aufschrie. Er küßte sie mit Gewalt, ohne ihre Abwehr zu beachten. Zorn und Begehren flammten in ihm. Zum zweiten Mal hatte eine Frau, die er wollte und auf die er seiner Meinung nach ein Recht hatte, ihn zurückgewiesen, und diesmal würde er ihr sich nicht demütig unterwerfen, sondern ihr seinen Willen aufzwingen! Verdammt noch mal, sie war seine Frau, und heute nacht würde er sie haben! Wenn sie nachgab, war es gut, doch haben würde er sie auf jeden Fall! Sie wehrte sich in wachsender Panik gegen seinen Griff, und das erregte ihn auf unerträgliche Weise.
»Bard, nein, nein«, flehte sie schluchzend. »Nicht so, nicht auf diese Weise … o bitte, bitte …«
Er hielt sie unbarmherzig fest, wohl wissend, daß er ihr mit seinem festen Griff weh tat. »Dann komm mit in mein Zimmer! Laß es nicht darauf ankommen, daß ich dich dazu zwinge, Carlina.« Wie konnte sie nur bei diesem Sturm der Leidenschaft, der in ihm tobte, gleichgültig bleiben? Irgendwie mußte es ihm gelingen, sie mitzureißen! Er wollte, daß sie ebenso heftig nach ihm verlangte wie er nach ihr, daß sie beide von der gleichen Leidenschaft verzehrt wurden. Und hier zappelte sie und wehrte sich gegen ihn, als sei sie ein ungeküßtes Kind, das nicht einmal verstand, was er von ihr verlangte!
Eine Hand legte sich auf seine Schulter und zog ihn von Carlina weg.
»Bard, bist du betrunken, oder hast du völlig den Verstand verloren?« Geremy sah ihn entgeistert an. Carlina schlug die Hände vor das Gesicht und weinte vor Erleichterung und Scham.
»Verdammt sollst du sein, was mischst du dich ein, du Halbmann …«
»Carlina ist meine Pflegeschwester«, erklärte Geremy. »Ich lasse es nicht zu, daß sie bei einer Gesellschaft vergewaltigt wird, und sei es von ihrem versprochenen Mann! Bard, im Namen aller Götter, geh und wasch dein Gesicht mit kaltem Wasser! Dann entschuldige dich bei Carlina, und wir werden nicht mehr darüber sprechen. Und nächstes Mal hörst du mit dem Trinken auf, solange du dich noch beherrschen kannst!«
»Verdammt sollst du sein …« Bard fuhr mit geballten Fäusten wütend auf Geremy los. Beltran ergriff ihn von hinten. Der Prinz sagte: »Nein, Bard, das wirst du nicht tun. Carlina, du hast das nicht gewollt, nicht wahr?«
Sie schluchzte. »Nein …« Bard fuhr auf: »Sie ist meine versprochene Frau! Sie hat kein Recht, sich mir auf diese Weise zu verweigern – und schreien habt ihr sie ja wohl nicht gehört! Wieso nehmt ihr ohne weiteres an, sie wolle von mir befreit werden? Es hat ihr sehr gut gefallen, bis ihr euch eingemischt habt …«
»Jetzt lügst du!« beschuldigte Beltran ihn wütend. »Jeder in dieser Halle, der einen Funken Laran hat, muß ihre Verzweiflung gespürt haben! Ich werde dafür sorgen, daß mein Vater das erfährt! Verdammter Bastard, versucht hier, sich mit Gewalt zu nehmen, was er freiwillig nie erhalten würde …«
Bard riß seinen Dolch aus der Scheide.
Weitere Kostenlose Bücher