Die Zeit der hundert Königreiche
verlassen, allein und als Gesetzloser!« Bards Vater rang die Hände. »Herr des Lichts, welche Torheit und welch Unglück!«
Bard schüttelte ungeduldig den Kopf. »Was geschehen ist, ist geschehen, Vater, und durch Jammern wird es nicht besser. Man hat mir übel mitgespielt. Der König, dein Bruder, erwies mir wenig Gerechtigkeit und keine Gnade, und das eines Streits wegen, den ich gar nicht wollte. Ich kann nichts anderes tun, als dem Hof von Asturias den Rücken zu wenden und anderswo ein besseres Glück zu suchen.«
Sie standen in dem Zimmer, das Bard gehört hatte, seit sein Vater ihn in sein Haus aufnahm, um ihn mit seinem legitimen Sohn großzuziehen. Aus Freundlichkeit oder Sentimentalität hatte Dom Rafael das Zimmer für Bard bereitgehalten, obwohl er, seit er zwölf Jahre alt war, nie mehr den Fuß hineingesetzt hatte. Es war das Zimmer eines Jungen, nicht das eines Mannes, und es befand sich nicht viel darin, was Bard gern mit sich ins Exil genommen hätte.
»Komm, Vater.« Beinahe liebevoll legte er dem älteren Mann die Hand auf die Schulter. »Es ist nicht wert, sich darum zu grämen. Selbst wenn der König sich mir milder gezeigt und mich wegen jener verdammten Mittwinter-Torheit nur vom Hof weggeschickt hätte, könnte ich hier kaum bleiben; Lady Jerana liebt mich nicht mehr als früher. Und jetzt kann sie nur schlecht ihre Freude verbergen, daß ich ein für allemal aus dem Weg bin.« Er grinste bösartig. »Ob sie wohl glaubt, ich versuchte, Alaric sein Erbe wegzunehmen, wie der König sich überzeugen ließ, ich begehrte das Beltrans? Schließlich wurde in der Vergangenheit der ältere Sohn oft über den legitimen Sohn gesetzt. Ist dir wirklich nie der Gedanke gekommen, Vater, ich könnte nicht damit zufrieden sein, daß Alaric mir vorgezogen wird, und den Versuch machen, mir zu nehmen, was gesetzlich sein ist?«
Dom Rafael di Asturien sah ernst zu seinem großen Sohn auf. Er war schon ein wenig über die besten Jahre hinaus, breitschultrig und mit dem Aussehen eines muskulösen, tatkräftigen Mannes, der sich gestattet hat, in der Untätigkeit weich zu werden. Er fragte: »Würdest du das tun, Bard?«
Bard antwortete: »Nein«, und dabei drehte und wendete er in seinen Händen eine Falkenkappe, die er gemacht hatte, als er acht Jahre alt war. »Nein, Vater. Hältst du mich dieses Streites mit meinen Pflegebrüdern wegen für einen Mann ohne alle Ehre? Das war Torheit, betrunkene Torheit und etwas Ähnliches wie Schwachsinn, und wenn ich es rückgängig machen könnte – aber selbst der Herr des Lichts kann die Zeit nicht zurückdrehen und nicht ungeschehen machen, was geschehen ist. Und was Alaric und sein Erbe betrifft: Vater, es gibt viele Bastard-Söhne, die als Gesetzlose aufwachsen, ohne einen anderen Namen als den einer entehrten Mutter, ohne die leitende Hand eines Mannes und mit nicht mehr Vermögen, als sie der Welt mit ihrer Hände Arbeit oder durch Raub abringen können. Aber du hast mich in deinem eigenen Haus aufgezogen, und von Kindheit an hatte ich gute Gefährten und wurde gut unterrichtet, und als die Zeit kam, die einem Mann anstehenden Künste zu erlernen, wurde ich der Pflegesohn des Königs.« Mit einer für diesen stolzen jungen Krieger überraschenden Scheu umarmte er seinen Vater. »Du hättest Frieden in deinem Bett und an deiner Feuerstelle haben können, wenn du eingewilligt hättest, mich zu einem Schmied oder Bauern oder Handelsmann in die Lehre zu geben. Statt dessen hatte ich Pferde und Falken und wurde als Sohn eines Edelmanns erzogen, und du nahmst dafür Streit mit deiner dir gesetzlich angetrauten Lady auf dich. Glaubst du, ich kann das vergessen oder ich könnte dem Bruder, der mich immer Bruder und nie Bastard genannt hat, über diesen großzügig bemessenen Anteil hinaus etwas wegnehmen? Alaric ist mein Bruder, und ich liebe ihn. Ich wäre mehr als undankbar, ich wäre ganz ohne Ehre, wollte ich Hand auf das legen, was rechtmäßig ihm gehört. Und wenn ich meinen Streit mit diesem verdammten Sandalenträger Beltran bereue, dann nur, weil ich dir oder Alaric dadurch geschadet haben mag.«
»Mir hast du nicht geschadet, mein Sohn«, sagte Dom Rafael, »auch wenn es mich schwer ankommt, Ardrin zu verzeihen, was er dir angetan hat. Er hat deine Treue mit Geringschätzung behandelt und damit auch meine, und er hat die Frage in mir wachgerufen, die ich mir bisher nie stellte: Ob er der rechtmäßige König dieses Landes ist. Und was Alaric betrifft …«
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