Die Zeitdedektive 05 - Geheimnis um Tutanchamun
sofort …“
„Etwa Schuppiluliuma, der Hethiterkönig?“, fragte der Mann nach.
„Wer denn sonst?“, antwortete Anchesenamun ungeduldig. „Dieser Brief ist von größter Wichtigkeit. Niemand außer Schuppiluliuma darf ihn lesen, hast du das verstanden?“
„Ja, große Herrin.“
„Von diesem Brief hängt die Zukunft unseres Landes ab. Wenn er in die falschen Hände gerät, sind wir alle verloren!“, flüsterte die Witwe eindringlich. „Du haftest mit deinem Leben dafür, dass er seinen Empfänger erreicht. Und jetzt mach dich auf den weiten Weg. In zwei Wochen erwarte ich dich wieder hier an meinem Hof – mit guten Nachrichten, versteht sich.“
Der Mann verbeugte sich tief. Dann nahm er die Papyrusrolle in Empfang. Abermals verneigte er sich.
„Schon gut, verliere keine Zeit mehr“, herrschte Anchesenamun ihn an. „Lass dir ein frisches Pferd geben und reite endlich los.“ Mit diesen Worten ließ die Witwe den Mann stehen und verschwand im Palast. Ihr Gang war leicht und federnd.
Dann kam auch Bewegung in den Boten. Die Papyrusrolle in der Hand lief er in Richtung Pferdeställe.
„Ich fasse es nicht“, wisperte Iti und richtete sich auf. Er wirkte vollkommen durcheinander. „Wir alle hatten doch eher Aja im Verdacht. Und jetzt scheint Anchesenamun die Drahtzieherin der Verschwörung zu sein! Wirklich, ich kann es nicht glauben. Tutanchamun und sie haben immer so glücklich zusammen gewirkt …“
„Was könnte sie für ein Motiv haben?“, überlegte Kim laut.
Iti hob die Schultern. „Vielleicht ist ihre Kinderlosigkeit das Problem. Es gibt keinen Thronerben. Viele Leute im Palast machen Anchesenamun dafür verantwortlich. Vermutlich hat sie Angst, vom Hof verstoßen zu werden. Womöglich hofft sie, die Frau des neuen Pharaos zu werden und gesunde Kinder zu bekommen. Dann wäre ihre Stellung im Palast wieder gesichert.“
„Was für ein eiskalter Plan“, bemerkte Kim und schüttelte sich angewidert. „Gut, dass Kija uns hierher geführt hat. Sonst hätten wir vermutlich nie davon Wind bekommen!“
„Aber was hat es mit dem Brief auf sich?“, wollte Leon wissen. „Wir sollten uns den mal genau anschauen. Ich will wissen, was Anchesenamun vorhat!“
„Und wie willst du an den Brief herankommen?“, fragte Julian.
„Och, der Reiter ist vermutlich allein unterwegs“, gab Leon selbstbewusst zurück. „Und wir sind zu fünft. Klarer Fall von Überzahl!“
Julian stöhnte leise, enthielt sich aber eines weiteren Kommentars.
„Dann sollten wir uns beeilen. Gleich wird der Bote in der Wüste verschwunden sein. Er ist zweifellos zu den Ställen gegangen, um sich ein frisches Pferd zu holen. Folgen wir ihm“, schlug Iti vor und ging auch schon los. Er führte seine Freunde zu einem Weg, der von den Ställen nach Osten führte. „Bestimmt kommt er hier entlang, denn das Hethiterreich liegt in dieser Richtung“, erklärte Iti.
„Klingt gut“, sagte Kim. „Jetzt müssen wir nur noch dafür sorgen, dass uns der Bote die Papyrusrolle aushändigt.“
„Das wird er kaum freiwillig tun“, sagte Julian, der jede Form der Gewalt zutiefst verabscheute.
Kim grinste. „Das stimmt wohl. Also müssen wir den Reiter, sagen wir mal, ‚überzeugen‘.“
„Da bin ich aber mal gespannt, wie du das machen willst.“
Darauf entgegnete Kim nichts. Aufmerksam musterte sie die Umgebung. Die menschenleere Gasse war hier sehr schmal. Das war ein Vorteil, denn sie mussten den Boten irgendwie stoppen. Er durfte keine Möglichkeit haben, auszuweichen, wenn sie sich ihm entgegenstellten.
Aber wenn er einfach umdrehte und Alarm schlug? So weit darf es gar nicht erst kommen, dachte Kim. Ihre Gedanken rasten, während sie mit einer Haarsträhne spielte. Sie hatten nicht viel Zeit. Bestimmt würde der Reiter gleich an ihnen vorbeipreschen und im Schutz der Dunkelheit verschwinden.
Da fiel Kims Blick auf ein Seil, das vor dem Eingang eines Hauses lag und wie eine zusammengerollte Schlange aussah. Kim hatte eine Idee. Rasch weihte sie ihre Freunde ein.
Zwei Minuten später bezogen sie rechts und links der Gasse Stellung und verbargen sich in Mauernischen. Kurz darauf dröhnten Hufschläge über den Boden – der Reiter nahte!
Kims Hände fassten das eine Ende des Seils fester. Hinter ihr drängten sich Leon und Kija an sie. Das Mädchen warf einen Blick zur anderen Seite der Gasse. Dort hielten Iti und Julian das andere Ende des Seiles. Noch lag das Seil schlaff auf dem Boden. Kims Plan war
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