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Die Zeitfalte

Die Zeitfalte

Titel: Die Zeitfalte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Madeleine L'Engle
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Reihe.«
    »Ja, versuch es!« Das Tantentier nahm wieder Platz und zog Meg zu sich heran. »Ich fühle, daß du zornig bist, aber ich verstehe nicht, warum. Was bedrückt dich so? Du wirst von Vorwürfen und Schuld gequält. Weshalb?«
    »Kannst du das denn wirklich nicht begreifen?«
    »Nein«, sagte das Tantentier. »Aber auf solche Weise können wir nichts über die … über diese Wesen erfahren, von denen ihr uns berichten wollt. Du mußt es anders versuchen.«
    Meg nahm alle Kraft zusammen. Sie stammelte. Sie tastete hilflos nach Worten. Zunächst beschrieb sie die drei Damen: Frau Wasdenn mit ihrem Landstreichermantel und den buntscheckigen Schals und Tüchern. Frau Diedas im wallend weißen Kleid und mit der blitzenden Brille. Frau Dergestalt im schwarzen Umhang, mit der spitzen Haube und in ihrer verschwommenen, immer wieder zerfließenden Körperhaftigkeit. Aber dann erkannte sie, wie sinnlos das war; mit dieser Beschreibung konnte sie nur für sich selbst etwas anfangen. So waren Frau Wasdenn, Frau Diedas und Frau Dergestalt nicht wirklich beschaffen. Ebenso gut hätte sie Frau Wasdenn in ihrer Verwandlung als fliegendes Fabelwesen auf Uriel schildern können.
    »Beschränke dich doch nicht immer auf Worte!« schlug das Tantentier vor. »Damit stehst du dir und mir bloß im Weg. Bedenke, was sie sind. Zu beschreiben, wie du sie siehst, bringt uns nicht weiter.«
    Meg versuchte es erneut, aber es gelang ihr nicht, anders als in Bildern zu denken. Hin und wieder meinte sie, bei den Tieren einen Funken Verständnis geweckt zu haben, aber die meiste Zeit zeigten sie nichts als bemühte Ratlosigkeit.
    »Engel«, rief Calvin plötzlich aus. »Schutzengel!« Erst war es ganz still im Raum, doch gleich rief Calvin wieder, das Gesicht in höchster Konzentration angespannt: »Boten! Gottesboten!«
    »Ich dachte soeben … «, begann das Tantentier zögernd, gab aber dann seufzend auf. »Nein – es war doch nicht deutlich genug.«
    »Wie seltsam, daß sie uns nicht erklären können, was sie doch so genau zu kennen scheinen!« sagte eines der Tiere bedauernd.
    Das Tantentier legte besänftigend ihre Fühler um Megs Hüften. »Sie sind eben noch jung! Und auf ihrer Erde, wie sie es nennen, haben sie keine Verbindung zu anderen Planeten. Sie kreisen ganz allein durch den Raum.«
    »Oh«, sagte das Tier. »Wie einsam sie sich doch fühlen müssen.«
    Plötzlich ließ eine Donnerstimme die Halle erzittern:
    »WWIRR SSIND SCHON DAA!«

Die Törichten und die Schwachen
    N och konnte Meg nichts erkennen, aber ihr Herz klopfte in freudiger Hoffnung. Alle Tiere erhoben sich von ihren Plätzen, wandten sich einer der Türöffnungen zu und neigten zum Gruß den Kopf und die Fühler.
    Zwischen zwei Säulen erschien plötzlich die Gestalt von Frau Wasdenn. An ihrer Seite materialisierte sich Frau Diedas, dahinter tauchte das vertraute pulsierende Schimmern von Frau Dergestalt auf.
    Die drei Damen wirkten aber irgendwie anders als bei ihrer ersten Begegnung mit Meg. Die Umrisse der Körper waren verwischt, und die Farben ihrer Gewänder rannen ineinander wie bei einer noch nassen Pinselzeichnung. Aber die drei waren da, und sie waren unverkennbar.
    Meg löste sich aus der Umarmung des Tantentiers, sprang zu Boden und lief Frau Wasdenn entgegen. Aber die hob warnend die Hand, und jetzt erkannte Meg, daß Frau Wasdenn sich noch nicht zur Gänze verkörperlicht hatte; sie war Licht und nicht Stoff. Ebensogut hätte Meg versuchen können, einen Sonnenstrahl in die Arme zu schließen.
    »Wir mußten uns so beeilen, daß keine Zeit blieb … « sagte Frau Wasdenn. »Ihr habt uns gerufen?«
    Das größte der Tiere verneigte sich abermals, trat Frau Wasdenn einen Schritt entgegen und sagte: »Es betrifft den kleinen Jungen.«
    »Vater hat ihn zurückgelassen!« rief Meg. »Er ist immer noch auf Camazotz!«
    Zu ihrem größten Schrecken blieb Frau Wasdenns Stimme völlig kühl und unbeteiligt.
    »Und was erwartest du von uns?«
    Meg preßte entsetzt die Faust gegen den Mund, bis ihr die Zahnklammern schmerzhaft ins Fleisch schnitten. Dann breitete sie bittend die Arme aus. »Aber es geht doch um Charles Wallace! ES hat ihn in seiner Gewalt! Frau Wasdenn, retten Sie ihn! Bitte retten Sie ihn!«
    »Du weißt, daß wir auf Camazotz nichts unternehmen können«, erwiderte Frau Wasdenn, immer noch äußerst zurückhaltend.
    »Ja wollen Sie denn, daß ES Charles Wallace für immer gefangenhält?« Megs Stimme klang schrill.
    »Habe ich das

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