Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
Leibeskräften hinaus und meine Worte werden um ein Vielfaches verstärkt in alle Richtungen getragen.
Tosender Beifall, Jubelrufe und grelle Pfiffe sind die Antwort. Sofort versucht mein Gehirn einzuordnen, wo ich bin. Doch durch den nasskalten Nebel, der mich umfängt, kaum dass meine Fahrt nach oben beendet scheint, sehe ich lediglich bunte Lichtreflexe. Hektisch wechseln sie von Blau zu Rot zu Grün. Der Beifall donnert aus allen Richtungen und vereint sich bald zu einem Stakkato, das ein von hunderten Mündern hinausgeschrienes Wort begleitet: »Al-is-on! Al-is-on! Al-is-on!« Keine Frage, der nicht enden wollende Applaus gilt mir.
Dann endlich lichtet sich der Nebel. Er sinkt wabernd herab und gibt mir die Sicht auf ringförmig angeordnete Sitzreihen frei, die sich Rang um Rang nach oben schrauben. Unzählige Körper heben und senken sich und mein Blick folgt der Welle, bis er an einem im Lichtkegel stehenden Mann hängen bleibt. Mit ausgebreiteten Armen strahlt er mich an.
»Uuund hier, meine sehr verehrten Gäste, live bei uns im Show-Dome, ist unsere bezaubernde, unsere wunderbare, unsere fabelhafte Kandidatin: Aaaaalison Hill!«
Das Publikum ist nicht zu bremsen, klatscht, trampelt, johlt lauter und lauter, bis eine heroische Melodie sich über alles erhebt.
»Du meine Güte …«, entweicht es mir unwillkürlich, aber ich begreife nicht, was der Mann im Lichtkegel meint. Unsere Kandidatin Alison Hill … Das ergibt keinen Sinn! Jeremy, der nie existiert zu haben scheint, ein Marker, der mit meiner Hand verwebt meine Vitalwerte misst, Ivana und ihre hastig gesprochenen Ermahnungen: Sei stark! Dreh nicht durch! Steh nicht auf! Als ich nach unten sehe, verstehe ich zumindest Letzteres: In meinen Stuhl gepresst starre ich auf den Nebel, der grauenvolle zehn oder zwanzig Meter unter mir ins Bodenlose versinkt. Aus ihm erwächst eine steile Säule, die in einer armspannbreiten Plattform endet, gleich einem i, mit meinem Sessel als Pünktchen obenauf. Sollte ich noch einmal in Ohnmacht fallen, wäre es mein sicherer Tod. Ich kralle mich im Sessel fest, lege meinen Kopf in den Nacken, um nicht schon wieder zu brechen.
Du meine Güte! Das bin ich - unglaublich vergrößert auf einem gigantischen Bildschirm. Er spannt sich wie eine Kuppel über den Show-Dome und ich starre mir von oben entgegen. Mein Mund steht offen, was ziemlich dämlich wirkt. Zum Glück zeigen sie im nächsten Moment eine Frau, wahrscheinlich aus dem Publikum. Warum sie ein Plakat mit den Buchstaben K A Y hochhält, weiß ich nicht. Alles ist so verwirrend! Aber dann wechselt das Bild zu dem Mann, der meinen Namen gerufen hat. Er wirkt eigenartig. Hat keine Haare, nicht mal Wimpern, und sein Gesicht ist mit funkelnden Steinen zugekleistert.
»Alison!« Unwillkürlich wende ich mich der realen Figur zu, die auf einer viel größeren Plattform, einige Meter von mir entfernt, steht. »Mein Name ist Wum Randy, der Showmaster von Top The Realities . Wie geht es Ihnen?«
Mir klappt der Mund auf. »Das ist ein Witz, oder? Ist es das, was Sie von mir wollen? Wissen, wie es mir geht?«, knurre ich, fassungslos über die Frage. »Ich werde wie ein dämlicher Preis-Pudel gechipt, herausgeputzt, gegen meinen Willen hierhin verschleppt, vorgeführt und niemand hält es für nötig mir etwas zu erklären! Ich will endlich Antworten!«
Meine wütende Stimme trägt sich überlaut durch die Ränge des Publikums, welches jäh zu klatschen aufgehört hat. Anscheinend wollen sie hören, was ich zu sagen habe. Aber das können sie vergessen. Solange ich keine Antworten bekomme, bekommen sie auch keine. »Was auch immer hier läuft, ich mache da nicht mit!«
»Das ist Kämpfergeist! Das ist Leidenschaft!« Der Moderator klatscht begeistert in die Hände. »Offensichtlich ist unsere Kandidatin in bester Verfassung und bereit für die erste Challenge der beliebtesten Gameshow unserer Zeit: Top The Realities !«
»Gameshow?« Endlich begreife ich das Offensichtliche! Ich befinde mich in einer Fernsehsendung, von der ich nie gehört habe, in die ich nie gewollt habe, deren Kandidatin ich aber augenscheinlich bin. Das alles muss ein ungeheures Missverständnis sein.
»Hören Sie, Sie haben mich verwechselt, ich kann nicht …«
»Was weißt du über Zeit, Liebes?«, unterbricht mich da der Moderator und gleichzeitig ertönt das Piepen in meinem Kopf. Mein Marker fordert mich auf zu antworten. Als ich wütend die Zähne zusammenbeiße, wird er
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