Die Zeitrausch-Trilogie, Band 1: Spiel der Vergangenheit (German Edition)
einem glänzenden Ganzkörperanzug gehüllt, auf der Bühne stehen. Sie wirkt erhitzt, aber glücklich, und wirft lachend ihre mit silbernen Linien überzogene Hand hoch.
»Ich hab's getan!«, ruft sie strahlend. »Entfliehen auch Sie Ihrem Alltag, ganz ohne Konsequenzen. Natürlich können Sie dank des Zeitankers von Timeship jede Zeitreise ohne Auswirkung auf Ihr Jetztsein antreten. Wir haben die wichtigsten Episoden der letzten sechstausend Jahre in allen Facetten für Sie erfasst. Timeship ! Updaten Sie Ihren Marker gleich in einer unserer über 500 Filialen oder ganz einfach im Hypernet.«
Die Projektion erlischt. Zurück bleibt nur das Wort Zeitreise !
Seine Bedeutung ist so abwegig, dass ich auflachen muss, aber als ich einen Wimpernschlag später begreife, verschlägt es mir den Atem.
Die Frage ist nicht, wo ich bin, sondern wann!
2. KAPITEL
IRGENDWANN IN DER ZUKUNFT
Auf der Showbühne
Die Bühne wird erneut in künstliches Licht getaucht, meine Plattform hingegen bleibt im Dunkel, was mich auf der einen Seite erleichtert, gibt es mir doch Zeit, Informationen zu sammeln, auf der anderen Seite brauche ich aber unbedingt Gewissheit über diese ungeheuerliche Vermutung. Aber wird man mich anhören? Wird man meine Fragen beantworten? Werde ich überhaupt die Gelegenheit haben, sie zu stellen?
Applaus beendet meine Gedanken und der Moderator schreitet auf die Mitte der Bühne. Diesmal schillert sein Gesicht von grünen und silbernen Schuppen überzogen im Scheinwerferkegel und lässt seinen runden Kopf auf lächerliche Weise wie einen aufgeblähten Kugelfisch im Forellen-Mantel wirken.
»Wie versprochen, holoportieren wir Ihnen jetzt Live-Ausschnitte aus dem Leben unserer Kandidatin.« Wum Randy ruft in den verebbenden Applaus hinein, gestikuliert dabei wild. Alles an ihm wirkt übertrieben. »Und denken Sie daran: Dies sind echte Gefühle, Momente, wie sie jetzt gerade irgendwann passieren, wir haben nichts manipuliert, nicht eingegriffen! Unsere Reise startet im Jahr 1996, das Jahr von Alisons Geburt. Für alle Zuschauer hier und an den Holografen zu Hause, die diese zeitliche Dimension nicht vor Augen haben: Unsere Kandidatin Alison lebt in einer Realität, in der der erste Farbige Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika wird, in einer Zeit, in der Kommunikation über Mobiltelefone und das Internet betrieben wird, Krankheiten wie AIDS oder Krebs als nicht heilbar gelten und das Wetter noch den Launen der Natur überlassen wird.«
Wetter, den Launen der Natur? Was denn sonst?
Vereinzelt höre ich erstaunte Rufe aus dem Publikum und Wum Randys glitzernder Schuppenkopf nickt verständig. »Trotzdem wird diese Zeit die Epoche des Verständnisses genannt, denn obwohl die Menschen weder in der Lage waren, mehr als vier Dimensionen zu erkennen, noch sich in der Zeit bewegen konnten, hierzu sollten noch gut zweihundert Jahre vergehen …« Er unterbricht sich selbst. »Trotz dieser Beschränkungen bestand zumindest die umstrittene Theorie, es könne mehr als eine Realität zur selben Zeit geben.«
»Mehr als zweihundert Jahre?«, schallen seine Worte in meinem Kopf wieder. Aber … aber dann … Meine Eltern sind längst tot! Und ich auch, obwohl ich doch hier bin. Wie habe ich mein Leben weitergelebt? Habe ich es weitergelebt? Bin ich wieder nach Hause gekommen oder besser, werde ich wieder nach Hause kommen? Was passiert denn jetzt? Was haben die mit mir vor?
Die Fragen wirbeln durch meinen Kopf, der plötzlich in Watte gepackt zu sein scheint. Ich bin unfähig, logisch zu denken. Mein Herz schlägt viel zu schnell. Rauschen in meinen Ohren, das von Piepen unterbrochen wird. Piepen … Mein Marker. Ich sehe auf meine Handfläche. Sämtliche Balken sind in den roten Bereich geschossen. Mit aller Kraft kralle ich mich an den Sitzlehnen fest, aus Angst, ich könnte das Bewusstsein verlieren und in die Tiefe stürzen.
»Ich höre eben, dass die Vitalwerte unserer Kandidatin instabil sind. Können wir dazu einmal eine Grafik bekommen? Ist das möglich?«, höre ich die Stimme des Moderators dumpf aus der Ferne. Verschwommen nehme ich eine Holografie war, die in leuchtenden Rottönen über der Bühne schwebt.
»Sehr gut!« Wum Randy wirkt, als freue er sich über meinen nahenden Zusammenbruch, und zeigt auf die tanzenden Balken der Grafik. »Da ist sie schon. Alisons Puls ist deutlich erhöht, wie wir sehen, und, wow, ihr neurales Netz steht ganz schön in Flammen! Verschwenden wir also keine Zeit
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