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Die Zeitung - Ein Nachruf

Die Zeitung - Ein Nachruf

Titel: Die Zeitung - Ein Nachruf Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Fleischhacker
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Öffentlichkeit von ‚unten‘ (den Regierten) nach ‚oben‘ (zu den Regierenden), d. h. die Unterrichtung des politischen Systems im Blick auf Verhaltens-, Meinungs- und Einstellungsveränderungen der Bevölkerung sowie bei gesellschaftlichen Institutionen und Organisationen – die ‚Artikulationsfunktion‘; b) die Herstellung von Öffentlichkeit über politische, ökonomische oder kulturelle Entscheidungen bereits im Vorfeld ihres Entstehens, also die ‚Transparenzfunktion‘. Nicht selten verfolgen die Massenmedien dabei jedoch eigene (politische) Interessen und ist die Möglichkeit oder zumindest die Verleitung zum Missbrauch der journalistischen Macht daher groß; c) die Herstellung von Öffentlichkeit ‚von oben‘ (von den Regierenden) nach ‚unten‘ (zu den Regierten), d. h. die Erfüllung des Mitteilungsbedurfnisses des politischen Systems gegenüber der Öffentlichkeit im Hinblick auf zu fällende politische Entscheidungen, Programme, Nah- und Fernziele. Diese ‚Mitteilungsfunktion‘ schließt die Möglichkeit der Selbstdarstellung des politischen Systems und seiner Funktionsträger mit ein. ‚Hofberichterstattung‘ ist damit allerdings nicht gemeint.“ 6 Er schließt daran eine weitere Funktion der Medien, nämlich die „Kritik- und Kontrollfunktion“, die er als „Rundumkontrolle“ versteht, „bei der die Mitwirkung der Massenmedien an der Normenfindung und Normenkontrolle miteingeschlossen sind“.
    Pürers interessantester Hinweis stand aber in der Einleitung seines sehr instruktiven Textes. Darin wies er explizit darauf hin, dass er sich bei dieser Beschreibung ausschließlich auf die „klassischen Massenmedien“ Zeitung, Zeitschrift, Radio und Fernsehen – „und damit auch auf den Journalismus in diesen Medien“ – bezieht. Auf Entwicklungen im Internet, bei den Online-Medien und in der Online-Kommunikation wollte er – 2008! – nicht eingehen. Zwar eröffneten sich auf diesem Feld „ganz neue Möglichkeiten, Öffentlichkeit herzustellen“, weil der Bürger nicht mehr nur „passiver Adressat“ sei, sondern auch (inter-)aktiv an Denk- und Diskussionsprozesse teilnehmen könne. „Die demokratietheoretische Verortung des Internet und der öffentlich relevanten Online-Kommunikation trägt gegenwärtig aber noch stark spekulative Züge und bewegt sich eher auf dünnem Eis.“
Was meinen wir, wenn wir „Öffentlichkeit“ sagen?
    Das entscheidende Stichwort lautet also „Öffentlichkeit“: Wir reden, wenn wir von der „vierten Gewalt“ reden, davon, was wir unter „Öffentlichkeit“ verstehen wollen. In der Kommunikationswissenschaft spielt der Begriff erst seit den frühen 60er Jahren eine Rolle, seit damals aber auch eine entscheidende. Die Initialzündung für den Boom des Genres war Jürgen Habermas’ 1962 veröffentlichte Habilitationsschrift
Strukturwandel der Öffentlichkeit
. Habermas zeichnet so etwas wie den Idealtypus der bürgerlichen Öffentlichkeit, wie er sich im 18. Jahrhundert vor allem durch den ersten Boom der Gattung „Zeitschrift“ entwickelte. Dieser Idealtypus wird durch Offenheit im Zugang und durch das Prinzip Diskursivität gekennzeichnet, wobei Habermas unter Diskursivität jenen Prozess versteht, in dem durch den Austausch von Argumenten Normen begründet werden. Schließlich hat der Idealtypus auch eine Legitimationsfunktion: Einerseits versorgt er die entscheidenden Politiker mit Entscheidungsressourcen, andererseits werden diese Entscheidungen im Diskurs legitimiert, was zu einer Stärkung der Demokratie führen sollte.
    Modell Habermas

    Das wichtigste Gegenmodell zur Öffentlichkeitstheorie der Frankfurter Schule lieferte Niklas Luhmann. Luhmann versteht Öffentlichkeit als normativ anspruchsloses Phänomen der Beobachtung, genauer gesagt: des beobachteten Beobachtens. Diese Beobachtungen zweiter Ordnung wirken nach Luhmanns Verständnis wie ein Spiegel, Öffentlichkeit ist also ein Reflexionsmedium, geeignet sowohl zur Selbst- als auch zur Fremdbeobachtung. Der Effekt dieses Spiegels, sagt Luhmann, liege nicht in der Korrektur des Handelns, sondern in der Reflexion. Die psychologischen Bedingungen des Öffentlichkeitsgeschehens wurden von Elisabeth Noelle-Neumann in bis heute gültiger Form (
Die Schweigespirale
) beschrieben.
    Die Beantwortung der Frage, ob den Medien tatsächlich die Rolle der „vierten Gewalt“ zukommt und wie sie diese Rolle in angemessener Weise ausfüllen können, wird also ganz stark davon abhängen,

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