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Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Die Zerbrechlichkeit des Gluecks

Titel: Die Zerbrechlichkeit des Gluecks Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Schulman
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ließ sich feststellen, wer beliebt war und wer nicht, und diese Liste wiederum eignete sich bestens für eine kleine Übung in Statistik. Die Tatsache, dass Coco das Alphabet bloß zur Hälfte kannte und diejenigen Buchstaben, die sie korrekt identifizieren konnte, bei ihr oft in die falsche Richtung zeigten oder auf dem Bäuchlein schliefen, war unerheblich. Sie könne ja ruhig Fehler machen, meinte Jane. Selbst mit diesem einschränkenden Hinweis würde das ganze Unternehmen Stunden ihres gemeinsamen Wochenendes zu Hause in Anspruch nehmen. Coco hasste Stillsitzen. Sie hasste Schreiben. Sie verabscheute Entschuldigungen. Das ganze Hin und Her an Besorgnisäußerungen und schmeichelndem Zureden zwischen Liz und der abgebrühten Jane – es hörte sich an wie ein gurrender Taubenschlag, ein nach Skript agierender Taubenschlag – raubte ihr schließlich den letzten Nerv. Liz’ schwache Versuche, vor einem kritisch urteilenden Publikum clever und witzig und zuversichtlich zu wirken, brachten ebenso wenig wie ihr redliches Mühen, sich über das missliche Benehmen nach außen hin gebührend entsetzt zu zeigen, wo sie es insgeheim doch irgendwie amüsant fand. Als sie Casa Jane (so stand es auf dem handgemalten Schildchen vor Janes Büro, die auf Nachfrage damit herausrückte, das Ding nach ihrer Scheidung bei einem Tanzwettbewerb im Club Med auf den Turks- und Caicosinseln gewonnen zu haben) endlich verließen, brauchte Liz erst mal einen Martini.
    Was für ein Glück, ein Häufchen beschwipster Mütter nun mit ihren Geschichten aus dem Schulalltag ergötzen zu können, im Palmengarten des Plaza Hotels, wo ein Drink kinderleicht zu beschaffen war. Grey Goose, mit reichlich Oliven. Worum Liz zu bitten gedachte, sobald es ihr gelang, den Kellner auf sich aufmerksam zu machen. Nach einem verstohlenen Blick zum Kindertisch hinüber – wo Juliana und Coco zum engelsgeflügelten Harfengesäusel einträchtig einen reizenden Tango aufführten – sank sie erleichtert in ihren Sessel zurück, denn es sah nicht so aus, als würde Juliana Coco noch irgendwelche Missetaten nachtragen. Ein liebes Kind, diese Juliana.
    Sydney rief den Kellner herüber. »Enrique, könnten Sie unserer Freundin Liz wohl einen Drink bringen.« Dann leise an Liz gewandt: »Süße, du siehst aus, als könntest du einen vertragen.«
    Liz hauchte ein lautloses Danke.
    »Mit Vergnügen, Madame«, erwiderte Enrique, ein älterer Mann in Livree und mit sorgfältig einstudierter, europäischer Eleganz.
    »Er liebt uns«, flüsterte Casey deutlich hörbar. »Bevor ihr gekommen seid, haben wir uns schon zwei Dosen Kaviar genehmigt.« Und dann: »Magst du Kaviar? Ich kann noch welchen bestellen.«
    »Von den Scones könnte ich noch zehn verdrücken«, sagte Marsha. »Aber lieber nicht.«
    »Nein, nein, aber trotzdem danke«, erwiderte Liz. »Ich brauche bloß ein bisschen Alkohol, vorzugsweise intravenös verabreicht.«
    »Wir können uns ja noch was aufs Zimmer schicken lassen«, kam es von Casey. »Kaviar. Champagner. Mein Mann hat heute Morgen aus Dubai angerufen und gemeint, ich soll ordentlich einen draufmachen. ›Was soll’s, amüsiert euch nur! Wir müssen ja schließlich keine Bar-Mizwa ausrichten.‹« Sie lachte.
    »Ach Gott«, stöhnte Sydney. »Ich hab vier Kinder in der Jüdischen Sonntagsschule. Demnächst überfalle ich noch eine Bank. Ich bin inzwischen sogar im Festkomitee unserer Synagoge … damit wir uns mit der Terminbuchung nicht überschneiden. Bei meiner Ältesten mussten wir die Party in der vierten Klasse anmelden, das heißt drei Jahre im Voraus.« Sie leerte ihr Glas und hielt es mit den Worten hoch: »Überschüttet mich mit Champagner«, worauf Casey ihr lachend die letzten Restchen aus den zwei Flaschen in die Sektflöte goss.
    Liz lehnte sich genüsslich auf dem rosafarbenen Barocksessel zurück, die Harfenistin in ihrem fließenden Abendkleid gegenüber, neben sich eine goldverzierte Marmorsäule, und begann, sich allmählich wieder als Mensch zu fühlen. Hier in dem hübschen Hotelfoyer, ihre Tochter fröhlich beschäftigt, Ehemann und Sohn aus den Augen, aus dem Sinn, kam sie sich fast wie im Urlaub vor – weit weg, an irgendeinem Ferienort. Wo? In Palm Beach. Hier herrschte so eine gewisse anheimelnde Alte-Damen-Atmosphäre. Alles ist getan, jetzt kannst du dich in der Hängematte in der Meeresbrise bei angenehmer Gesellschaft entspannen. Ihr idyllisches Seelen-Florida voller rosa Flamingos.
    Enrique war wieder da, auf

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