Die zerbrochene Krone
fuhr sie fort, »aber ich denke, daß die Zeit für Geheimnisse jetzt vorüber ist.« Annoura wandte sich Colavaere zu und preßte die Lippen zusammen. »Ich habe Euch glauben lassen, was Ihr glauben wolltet, aber Aes Sedai werden nicht nur zu Beratern, weil jemand ihnen sagt, sie seien es. Ganz besonders, wenn sie bereits jemand anderen beraten.«
»Wenn Berelain Eure Geschichte bestätigt«, sagte Rand, »werde ich Euch in ihre Obhut entlassen.« Er betrachtete die Krone und schien zum ersten Mal zu erkennen, daß er das Sprühfeuer aus Gold und Edelsteinen noch immer in Händen hielt. Er legte sie sehr sacht auf dem seidenbezogenen Sitz des Sonnenthrons ab. »Ich halte nicht unbedingt alle Aes Sedai für meine Feinde, aber es wird keine Intrigen gegen mich geben, und ich bin nicht Euer Handlanger - nicht mehr. Ihr habt die Wahl, Annoura, aber wenn Ihr Euch falsch entscheidet, werdet Ihr zu den Weisen Frauen gehen. Wenn Ihr lange genug lebt. Ich werde die Asha'man nicht festbinden, und ein Fehler könnte Euch das Leben kosten.«
»Die Asha'man...«, sagte Annoura bedächtig. »Ich glaube, ich verstehe.« Sie benetzte sich mit der Zunge die Lippen.
»Mein Lord Drache, Colavaere wollte ihren Treueschwur brechen.« Perrin hatte sich so sehr gewünscht, daß Faile sprechen würde, daß er zusammenzuckte, als sie es tatsächlich tat, während sie aus der Reihe der Bediensteten heraustrat. Sie wählte ihre Worte sorgfältig, als sie sich der Möchtegern-Königin gegenüberstellte wie ein angriffsbereiter Adler. Licht, sie war wunderschön! »Colavaere hat geschworen, Euch in allem zu gehorchen und Eure Gesetze einzuhalten, aber sie hat gleichzeitig geplant, die Aiel aus Cairhien zu entfernen, sie nach Süden zu schicken und alles wieder so einzurichten, wie es war, bevor Ihr kamt. Sie sagte auch, daß Ihr es, wenn Ihr jemals zurückkämt, nicht wagen würdet, etwas zu verändern, was sie gestaltet hat. Die Frau, der sie diese Dinge erzählte, Maire, war eine ihrer Bediensteten. Maire verschwand bald, nachdem sie es mir erzählt hatte. Ich habe keinen Beweis dafür, aber ich glaube, daß sie tot ist. Ich glaube, daß Colavaere bedauerte, zu früh zu viele ihrer Gedanken preisgegeben zu haben.«
Dobraine schritt die Stufen des Podests hinauf, den Helm unter dem Arm. Sein Gesicht hätte aus Stahl sein können. »Colavaere Saighan«, verkündete er mit formeller Stimme, die in jeden Winkel der Großen Halle drang, »ich, Dobraine, Hochsitz des Hauses Taborwin, klage Euch bei meiner unsterblichen Seele, unter dem Licht, des Verrats an, der mit dem Tode bestraft wird.«
Rand legte den Kopf zurück und schloß die Augen. Er bewegte leicht den Mund, aber Perrin wußte, daß nur er und Rand hören konnten, was hervordrang. »Nein. Ich kann nicht. Ich werde es nicht tun.« Jetzt verstand Perrin die Verzögerung. Rand suchte einen Ausweg. Perrin wünschte, er könnte einen erkennen.
Colavaere hatte es sicher nicht gehört, aber auch sie wünschte sich einen Ausweg. Sie sah sich wild um, zum Sonnenthron, zu ihren Bediensteten, zum versammelten Adel, als würden sie vielleicht vortreten, um sie zu verteidigen. Ihre Füße hätten jedoch ebensogut in Zement verankert sein können. Ein Meer sorgfältig ausdruckslos gehaltener, schweißbedeckter Gesichter zeigte sich ihr, und Augen, die ihren Blick mieden. Einige wandten ihre Blicke versteckt den Asha'man zu. Der bereits erhebliche Zwischenraum zwischen den Adligen und den Asha'man weitete sich noch mehr.
»Lügen!« zischte sie, die Hände in ihren Röcken verschränkt. »Alles Lügen! Kriecherische kleine...!« Sie trat einen Schritt auf Faile zu. Rand hielt seine Arme zwischen sie, obwohl Colavaere es nicht zu bemerken schien, und Faile sah ihn an, als wünschte sie, er hätte es nicht getan. Wer sie angriff, konnte sich auf eine Überraschung gefaßt machen.
»Faile lügt nicht!« grollte Perrin. Nun, nicht bei solchen Dingen.
Colavaere sammelte sich erneut. Obwohl sie nicht groß war, nutzte sie doch jeden Zoll ihrer Größe. Perrin mußte sie fast bewundern - wenn sie nicht Meilan und Maringil und diese Maire und nur das Licht wußte, wie viele noch, getötet hätte. »Ich fordere Gerechtigkeit, mein Lord Drache.« Ihre Stimme klang ruhig und fest. Königlich. »Es gibt keinen Beweis für diesen ... diesen Schmutz. Was ist schon die Behauptung wert, daß jemand, der sich nicht mehr in Cairhien befindet, sagt, ich hätte Worte geäußert, die ich niemals ausgesprochen
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