Die Zufalle des Herzens
Abendessen backten sie Brownies und aÃen sie mit üppigen Eisportionen, während sie im Fernsehen Dirty Jobs â Arbeit, die keiner machen will schauten und sich, als Abwasserschlamm im Gesicht des Moderators landete, kreischend hintereinander versteckten.
Um zehn Uhr scheuchte Dana sie nach oben ins Bett. Sie krochen in Schlafsäcke auf dem FuÃboden, die Köpfe in der anheimelnden Dunkelheit auf demselben Kissen, als Dana ins Arbeitszimmer zurückging, um Rechnungen zu bezahlen. Falls sich in Kenneths beruflichen Perspektiven nicht eine sofortige, radikale Kehrtwende vollzog, würde Dana in absehbarer Zeit nicht wieder zur Nur-Hausfrau werden. Genau genommen war jetzt klar, dass das Polster seit Kenneths Auszug allmählich dünner geworden war. Zwei Häuser waren selbst für einen ordentlichen Gehaltsscheck eine Belastung, und Gürtel, die man hätte enger schnallen sollen, waren unangetastet geblieben. Trotzdem hätte sie ihren Kindern auf keinen Fall sagen können: »Nicht genug, dass euer Dad auszieht, ihr werdet auch nicht mehr all das machen können, was ihr bis jetzt gemacht habt, und nicht mehr alles bekommen können, was ihr bekommen habt. Es gibt keinen Streifen am Horizont, erst recht keinen silbernen.«
Dana starrte an die Wand mit den Bildern, die Morgan und Grady für Kenneth gemalt hatten. Daddy lebt immer noch hier bei uns , schienen sie zu sagen. Ihr braucht euch um nichts zu sorgen . Sie stand auf, schob behutsam und liebevoll einen Finger unter die mit Tesafilm angeklebten Ecken jedes Bildes und legte sie an den Rand des Tisches. Keine Lügen mehr , dachte sie.
Dann ging sie in die Küche, um sich mit den Brownies zu trösten, um die sie den ganzen Abend so gewissenhaft einen Bogen gemacht hatte. Es gab jedoch keine mehr. Sie sah in jeden Schrank, fand aber keine. Was sie dagegen entdeckte, war das Blech, auf dem sie gebacken worden waren und das, blitzsauber, ganz hinten im Topfschrank verstaut worden war. Das Eis war ebenfalls weg, die Packung im Mülleimer vergraben, unter Zeitungen und einer leeren Cornflakes-Schachtel.
Da war er wieder, dieser Schauer. Ihr Gehirn suchte fieberhaft nach plausiblen Erklärungen, und sie wusste, dass sie sich, wenn sie wollte, von jeder einzelnen überzeugen lassen konnte. Vielleicht sollte sie aber auch einfach aufhören, darüber nachzudenken, und ins Bett gehen, was fast genauso verlockend war, wie diese Brownies aufzuessen.
Nein, sie würde irgendetwas unternehmen müssen. Als Erstes würde sie morgen, wenn Kimmi nach Hause gegangen war, mit Morgan darüber sprechen. Auf dem oberen Treppenabsatz angekommen, stellte sie jedoch fest, dass die Mädchen noch gar nicht schliefen. Sie waren im Bad. Durch die angelehnte Tür fiel Licht in den dunklen Flur, und Dana konnte Kimmis Stimme hören.
»Siehst du?«, sagte sie gerade. »Ich brauche nicht mal mehr meine Finger zu benutzen. Mein Magen weià schon, was er tun muss.«
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W ie sie so in der dunklen Stille des Flurs stand, hatte Dana plötzlich einen völligen Blackout. Es war, als hätte jemand in ihrer GroÃhirnrinde den Stecker gezogen. Ihr Gehirn brauchte ein paar Sekunden, bis es widerwillig von Neuem anlief, und sie fragte sich, ob sie wirklich gehört hatte, was sie gehört hatte.
Aber sie hatte. Und als das Geräusch gedämpften Würgens aus dem Badezimmer in der Luft um sie herum widerhallte, wusste sie, dass sie eine Entscheidung zu treffen hatte. Reagiere ich jetzt, oder denke ich mir einen Plan aus und reagiere später?
Angesichts dieser Situation war Dana wie vor den Kopf geschlagen. Sie überlegte, wie sie damit umgehen sollte, ohne den Mädchen eine Szene zu machen. Hätte sie es nur mit Morgan zu tun gehabt, wäre das etwas anderes gewesen; dass Kimmi beteiligt war, machte es um einiges schwieriger. Doch ein Gedanke stupste sie, drängte sie zum Handeln: Morgan muss wissen, dass ich es weiÃ. Und wenn ich nicht gleich etwas unternehme, kann es sein, dass ich kneife.
Sie schubste die Tür auf. Kimmi erhob sich gerade neben der Kloschüssel von den Knien, und Morgan ging in die Hocke, den Zeigefinger bis zum Knöchel in den Mund gestopft. Ãberrascht drehten die beiden Mädchen sich zu ihr um. Dann platzte Kimmi heraus: »Uns ist ein bisschen schlecht, Mrs Stellgarten, und wir glauben, dass eventuell das Hühnchen, das Sie zum Abendessen gemacht hatten,
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