Die Zufalle des Herzens
Anwesenheit verwandelte sich rasch in panische Angst vor ihrer Abwesenheit. Bis die Kinder nach Hause kamen, waren es immer noch sechsunddreiÃig Stunden. Und ihr wurde klar, dass sie Connie richtig vermissen würde.
»Sonntag?« Nachdenklich kniff Connie die Augen zusammen. »Wahrscheinlich nicht. Ich meine, eine Teilmenge von uns schon, aber ich kann es mir wirklich nicht leisten, noch länger freizumachen. Ich ruf dich aber an. Vielleicht morgen Abend.« Sie klopfte zwei Mal leicht auf den Tresen. »Muss los.«
Doch sie rührte sich erst mal nicht von der Stelle. Irgendetwas fiel ihr ein, und sie lächelte darüber und blickte zu Dana auf. Es war beinahe ein Dankeschön. Dann wandte sie sich Tony zu und sagte: »Bis dann, Santa«, und ging.
- 43 -
N ach der Arbeit bog Dana in ihre Einfahrt ein und blickte zu ihrem dunklen Haus auf. Niemand da , dachte sie. Auf ihrem Weg von der Garage bis hinauf in ihr Schlafzimmer schaltete sie Lichter ein, was jedoch ihr Alleinsein nur zu bestätigen schien.
Das ist vorübergehend , tadelte sie sich selbst. Morgen Abend sind sie wieder zu Hause . Sie zog sich die Hose aus, knöpfte sich die Bluse auf und hängte beides auf Bügel, um sich eine unnötige Fahrt zur Reinigung zu ersparen.
Das leere Haus war es nicht. Ich bin es , dachte Dana, während sie ein T-Shirt und eine abgewetzte Jeans herauszerrte. Alles verändert sich, und ich halte damit nicht Schritt .
Ein schwirrendes, Ãbelkeit erregendes Gefühl der Erschöpfung überkam sie, und sie legte sich auf ihrem Bett zurück, die Beine lieà sie über den Rand baumeln. Das Schwirren und das Gefühl hoffnungsloser Verlorenheit erinnerten sie an die Fehlgeburt, die sie vor Grady gehabt hatte. Genau in diesem Bett hatte sie gelegen, als sie nach »dem Eingriff« aus dem Krankenhaus gekommen war. Diesen Ausdruck hatte Kenneth wiederholt dafür verwendet. »Soll ich dich zu dem Eingriff bringen? ⦠Wie lang wird der Eingriff dauern? ⦠Gott sei Dank übernimmt unsere Krankenkasse die Kosten für den Eingriff.«
»Ja!«, hatte sie ihn schlieÃlich angeschrien. »Danken wir Gott dafür!«
Darauf hatte er sie angestarrt, als hätte sie ihn mit ihrem Sarkasmus beleidigt, was er jedoch unter den gegebenen Umständen ignorieren würde. Das hatte sie in seinem Gesicht gelesen, und ihr war klar gewesen, dass es stimmte. Er würde ihr den Gefallen tun, sie zu ignorieren. Da wusste sie, dass sie damit allein war. Für den Rest ihres Lebens würde es ihr Verlust sein, den sie ganz allein zu tragen hätte. Noch heute vermisste sie dieses Baby von Zeit zu Zeit, sprach aber mit niemandem darüber. Nicht nach dem Blick, mit dem er sie bedacht hatte.
Ich vermisse alle meine Babys . Es kam ihr so schwach vor â sich nach zwei Kindern zu sehnen, die nur für sechs Tage fort waren, und nach einem anderen, das erst gar nicht auf die Welt gekommen war. Und nach Alder, einem Kind, das nicht einmal ihres war. Sie dachte daran, Connie anzurufen, um zu fragen, wie es Alder ging, zu Hause in der Stadt, aus der sie zwei Monate zuvor geflohen war. Und ob Jet aufgehört hatte, WürzsoÃen zu essen? Armes Ding. Vermisst ihre Mutter , stellte Dana sich vor.
Sie erwog, Polly anzurufen â sich zu versöhnen, nur um jemanden zum Reden zu haben. Sie dachte sogar daran, von der Festnetznummer Gebrauch zu machen, die Tony in ihr Handy eingespeichert hatte. Letztlich rief sie niemanden an, teils aus Erschöpfung, teils, weil sie ihre Schwäche nicht zur Schau stellen wollte. Und, am allerwichtigsten, weil sie wusste, dass es am Ende doch nichts bringen würde. Vielleicht würde es die Wunde für kurze Zeit betäuben, zunähen würde es sie jedoch nicht. Die Dinge änderten sich, und das Leben, das sie mit ihren beständig und zufrieden um sie kreisenden Kindern geführt hatte, rückte in die Vergangenheit.
Nicht dass es das nicht irgendwann ohnehin getan hätte , mahnte sie sich. Wenn man den Elternratgebern glauben durfte, würden Morgan und Grady bald verschlossene Teenager werden, von deren sozialem Leben sie nur etwas mitbekommen würde, wenn sie sie bei Freunden absetzte und später wieder abholte. Sie war noch nicht bereit dafür, dass es ganze Teile im Leben ihrer Kinder geben würde, die sich nicht um sie selbst drehten, in die sie nicht einmal eingeweiht war. Aber was hatte sie
Weitere Kostenlose Bücher