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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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schneidet Leder.«
    » Würde es dir etwas ausmachen, wenn…?«
    » Geh nur. Er hat eine Pause verdient. Ist ein fleißiger Arbeiter, dein Bleich… redet nur nicht viel.«
    Früher schon, dachte ich und schob mich an Edmund vorbei in den hinteren Teil der Werkstatt.
    Bleich blickte auf. Für einen Moment wirkte es so, als würde er sich freuen, mich zu sehen, aber der Ausdruck war so schnell wieder von seinem Gesicht verschwunden, dass ich mir nicht sicher sein konnte. Er legte das Schustermesser weg und sah mich herausfordernd an. » Was machst du hier?«
    Die eigentliche Bedeutung seiner Worte war klar: Ich habe dir gesagt, du sollst mich in Ruhe lassen, und das habe ich auch so gemeint.
    Ich ignorierte die Ablehnung in seinem Tonfall und legte eine Hand auf die Werkbank. Ich hatte einen Auftrag und würde erst wieder gehen, wenn er erfüllt war. Als ich die Hand wegzog, lag der Schlüssel zu Draufgängers Haus auf der Werkbank.
    » Ich weiß, wie unglücklich du bist…«, sagte ich. » Du fühlst dich gefangen, aber das lässt sich ändern.«
    » Wie meinst du das?«
    » Draufgänger hat mir sein Haus vererbt. Aber ich lebe nicht gerne allein. Es gefällt mir sehr gut bei den Oaks. Du kannst es haben. Zieh du dort ein und kümmere dich um das Haus. Dort bist du freier.« Ich schaute ihn nicht an, damit er den Schmerz in meinen Augen nicht sah. » Niemand wird dich dort belästigen.«
    Nicht einmal ich. Du kannst deine Wunden lecken und mich so lange vermissen, bis du mich endlich wieder sehen willst. Denn du gehörst zu mir, und ich gehöre zu dir.
    Ich sah, wie sein Kehlkopf sich bewegte. » Das… ist sehr nett.«
    » Weißt du, wo es ist?« Es war unglaublich schwer, so geschäftsmäßig zu bleiben, denn was ich in Wahrheit wollte, war, seine Hand zu nehmen, ihn zu küssen und ihm zu sagen, wie idiotisch er sich benahm.
    Er nickte. » Draufgänger hat mich einmal zu sich nach Hause eingeladen.«
    Das hatte ich nicht gewusst. Aber während der ersten Monate in Erlösung hatte ich Bleich auch kaum gesehen. Ich stellte mir vor, wie er sich jede Nacht einen anderen Schlafplatz suchte, um Mr. Jensens Misshandlungen zu entgehen, und wünschte mir, er wäre damals zu mir gekommen.
    » Dann wäre ja alles besprochen.« Ich war fest entschlossen, mich nicht weiter zu erniedrigen, und drehte mich um.
    » Zwei…« Einen kurzen, wundervollen Augenblick lang glaubte ich, er würde mich zurückrufen. Doch stattdessen sagte er nur: » Danke.«
    » Gern geschehen«, murmelte ich.
    Edmund war bereits wieder beschäftigt, und ich winkte ihm im Hinausgehen kurz zu. Kein Wunder, dass er die freien Stunden zu Hause so sehr genoss, wenn er den ganzen Tag über eine Werkbank gebeugt schuften musste.
    Draußen auf der Straße hörte ich, wie von der Palisade ganze Salven abgefeuert wurden, und beschloss, mir erst einmal anzusehen, wie sich die Situation jenseits des Tores entwickelt hatte, bevor ich zurück nach Hause ging. Mehr als einmal war ich bei Draufgänger auf dem Wachturm gewesen, um ihm mein Leid zu klagen, aber diese Möglichkeit hatte ich jetzt nicht mehr. Vielleicht ließen die Wachen mich gar nicht erst zu ihnen hinauf. Doch der Soldat, der oben an der Holzmauer stand, erkannte mich. Mehr oder weniger.
    » Ich hab dich doch schon mal irgendwo gesehen«, sagte er mit gerunzelter Stirn.
    Ich wurde rot. Es musste an dem Kleid liegen, denn ich hatte ihn sofort erkannt. Es war der Soldat, der mir auf dem Rückzug vor den Freaks das Leben gerettet hatte. » Wir waren den ganzen Sommer über gemeinsam auf Patrouille!«, rief ich zu ihm hinauf.
    » Du siehst vollkommen anders aus, wenn du als Frau zurechtgemacht bist«, erwiderte er, und die Falten auf seiner Stirn verschwanden.
    Trotz meiner düsteren Stimmung lächelte ich ihn an und deutete auf die Leiter. » Darf ich?«
    » Eigentlich nicht, aber nach allem, was du bereits gesehen hast, spielt es wohl keine Rolle. Komm rauf.«
    Ich kletterte nach oben und stellte mich neben ihn, eine Hand über den Augen, um sie vor der blendenden Sonne zu schützen. Meine Haut schälte sich immer noch wegen des Sonnenbrands, den ich mir bei der Ernte zugezogen hatte, aber wenigstens hatte ich jetzt zum ersten Mal in meinem Leben etwas Farbe. Endlich hatte ich die Blässe der Tunnel verloren– und einen Teil meines alten Ichs. Ich war nicht mehr dieselbe, und es war noch zu früh, um sagen zu können, ob das gut oder schlecht war. Zumindest kam ich mir etwas klüger vor, als würde ich

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