Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
Vom Netzwerk:
Rosemere, Otterburn, Lorraine, Soldier’s Pond, Winterville und noch ein paar mehr. Das war es, was er mir schenken wollte: die Freiheit, hinauszuziehen in die Welt.
    Ich dachte daran, wie wir auf dem Wachturm gestanden waren und davon gesprochen hatten, dass ich ihn eines Tages auf seinen Handelsreisen begleiten könnte. Erst vor einer Stunde hatte ich mich noch gefragt, wer ihn wohl ersetzen würde, und jetzt hatte ich die Antwort. Ganz klar und ohne jeden Zweifel lag sie vor mir. Ich war seine Erbin, und er hatte mir gegeben, was ich brauchte, um meinen Traum wahr zu machen.
    Behutsam verstaute ich die Unterlagen in einer Ledermappe, denn jetzt, da sie mir gehörten, wollte ich sie mir auf keinen Fall mehr nehmen lassen. Vielleicht würde Tegan mir dabei helfen, zur Sicherheit eine Abschrift anzufertigen. Es gab eine Zeit, da hätte ich Bleich gefragt, aber er hatte seine Gefühle mir gegenüber ausreichend klargemacht, und ich respektierte seine Entscheidung. Ich wollte ihn nicht drängen. Tegan hatte gesagt, es gebe keinen Zauber, der alles wieder so machen würde, wie es einmal gewesen war. Nur die Zeit könne seine Wunden heilen.
    Während ich mich weiter umsah, fiel mir etwas ein, mit dem ich ihm vielleicht sogar dabei helfen konnte.

BELAGERUNG
    » Du warst eine ganze Weile weg«, sagte Oma Oaks.
    Ihre Worte klangen wie eine Aufforderung, also erzählte ich ihr, was passiert war.
    Sie hörte aufmerksam zu und nickte immer wieder. Schließlich umarmte sie mich. » Er war dir sehr wichtig.«
    Sie meinte Draufgänger, nicht einen der beiden Bigwaters, mit denen ich heute gesprochen hatte. Sie waren anständige Männer, der eine alt und gebeugt, der andere jung und beneidenswert naiv. Zach hatte nicht eine einzige Narbe, aber er war tapfer, und diese Sorte brauchte Erlösung jetzt dringender denn je. Ich überlegte, wie viel mir unser Kommandant bedeutet hatte. » Das war er«, sagte ich schließlich. » Wichtiger, als ich gedacht hatte. Ich wünschte, ich hätte es ihm gesagt, als er noch lebte.«
    » Ich glaube, er wusste es, sonst hätte er dir kaum seinen gesamten Besitz vermacht.«
    Das war zwar nur ein kleiner Trost, aber besser als gar keiner. Außerdem glaubte ich nicht, dass Draufgänger ein Freund großer Gefühlsausbrüche gewesen war. Er schien mir eher zu denen zu gehören, die solche Dinge lieber unausgesprochen ließen.
    » Wo ist eigentlich Bleich?«, fragte ich.
    » Mit Edmund in der Werkstatt.«
    » Bin gleich wieder da.«
    Oma Oaks schaute mir verdutzt hinterher, als ich mit der Ledermappe unter dem Arm durch die Tür verschwand. Draußen auf der Straße fielen mir die Blicke der anderen Frauen auf. Ein paar von ihnen, wahrscheinlich Freundinnen von Caroline Bigwater, starrten mich offen missbilligend an. Ich ignorierte sie und ging hoch erhobenen Hauptes an ihnen vorbei zu Edmunds Schusterwerkstatt. Ein feiner Ledergeruch hing in der Luft– viel angenehmer als der in der Gerberei und weich wie von frisch gemachter Butter.
    Edmund arbeitete gerade an einem neuen Paar Schuhe. Einen Moment lang spiegelte sich Überraschung auf seinem Gesicht, aber er verbarg sie schnell wieder. » Zwei! Schön, dich zu sehen.«
    Ich unterhielt mich kurz mit ihm, damit er nicht enttäuscht war, weil ich nicht eigens gekommen war, um ihn zu besuchen. » Was werden das für welche?«
    » Ein feines Paar Hausschuhe, wenn ich erst damit fertig bin. Hat Doc Tuttle dich schon untersucht?«
    Ich nickte. » Und die Fäden gezogen. Ich bin so gut wie neu.«
    Nicht ganz . Ich hatte neue Wunden, wenn auch keine körperlichen, und ich machte mir die schlimmsten Sorgen wegen Erlösung, der Stadt, die jetzt meine Heimat war. Eigentlich ging mich das nichts mehr an. Der Stadtrat würde das Problem lösen. Ich musste nur etwas finden, mit dem ich mich sinnvoll beschäftigen konnte, jetzt, da ich nicht mehr zur Schule gehen musste. Aus irgendeinem Grund freute ich mich nicht einmal mehr darauf, Mrs. James über meinen Austritt zu informieren. Jeder in Erlösung hatte eine Arbeit, aber ich wollte mich nicht von Oma Oaks zur Schneiderin ausbilden lassen. Ich musste einen Weg finden, die Ältesten davon zu überzeugen, mich an Draufgängers Stelle auf Handelsreise gehen zu lassen– das hieß, nachdem das Problem mit den Freaks gelöst war.
    Keine einfache Aufgabe .
    Wieder einmal stellte Edmund unter Beweis, wie feinfühlig er trotz seiner eher einfachen Erscheinung war, als er unaufgefordert sagte: » Bleich ist hinten und

Weitere Kostenlose Bücher