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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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zögerte einen Moment, dann ließ er sich von mir auf die Beine ziehen. Er schüttelte den Kopf und beäugte mich mit einer Mischung aus Bewunderung und Ungläubigkeit.
    » Die anderen werden zwar nicht begeistert sein«, verkündete Draufgänger, » aber es wäre ein Verbrechen, ein solches Talent zu vergeuden. Wenn deine Freunde nur halb so gut kämpfen wie du, wäre es mir eine Ehre, euch alle in meinem Team aufzunehmen.«
    Ich glühte innerlich vor Stolz. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, ich könnte in Erlösung vielleicht doch noch mein Glück finden und das tun, worin ich am besten war. » Wie viele Mitglieder hat eine Patrouille insgesamt?«
    » Acht. Einen Patrouillenführer, also mich, einen Späher und sechs Kämpfer.«
    » Ich bin ein guter Späher«, warf Pirscher ein.
    Das war keine Übertreibung. Pirscher hatte uns durch die Ruinen geführt, wenn selbst meine geschärften Sinne und Bleichs Instinkt versagten. Ich nickte Draufgänger zu.
    » Ihr werdet ein kleines Entgelt bekommen für das, was ihr den Sommer über leistet«, erklärte er an uns drei gewandt.
    Wahrscheinlich meinte er damit diese kleinen Holzdinger, die man in den Geschäften gegen Dinge eintauschen konnte. Es wäre wunderbar, selbst welche zu haben, denn ich hasste es, so voll und ganz von meinen Pflegeeltern abhängig zu sein und sie jedes Mal anbetteln zu müssen, wenn ich etwas brauchte. Sie waren zwar großzügig, aber darum ging es nicht: Ich wollte unabhängig sein. Nur ein Balg verließ sich darauf, dass andere seine Bedürfnisse erfüllten.
    » Ich wäre auch gern dabei«, sagte Frank unvermittelt.
    Draufgänger schaute ihn überrascht an. » Wieso, Frank? Ich werd nicht zulassen, dass du dem Mädchen auf die Pelle rückst und ihm das Leben zur Hölle machst. Es war ein fairer Kampf, und du hast verloren.«
    » Darum geht es nicht, Sir.« Er verstummte kurz und sprach dann mit leiser Stimme weiter. » Ich glaube, ich könnte etwas von ihr lernen.«
    » Würde mich nicht überraschen. Sieht so aus, als bräuchte ich nur noch drei…«
    Er hatte den Satz noch nicht einmal zu Ende gesprochen, da traten drei weitere Wachen vor und meldeten sich freiwillig. Auch sie schienen eher beeindruckt von mir als aufgebracht. Anscheinend nahmen die Wachen weit weniger Anstoß an meinem Anderssein als die restlichen Bürger. Vielleicht war ihnen mein Können wichtiger als mein Geschlecht. Wenn sie auch noch weniger tratschten als die Frauen, könnte es mir hier am Ende doch noch ganz gut gefallen…
    » Wann geht es los?«, fragte ich.
    » Morgen in einer Woche beginnen die Pflanzer mit der Aussaat«, antwortete Draufgänger, » und wir werden sie eskortieren.«
    Um sie zu beschützen. Zumindest das lief hier fast genauso wie Unten. Ich konnte es kaum glauben. Nach so langer Zeit hatte ich endlich wieder einen Platz auf der Welt, eine Aufgabe. Vielleicht würden sie mir sogar das Schießen beibringen und mir eine Wachschicht auf der Holzmauer geben. Dann hätte ich auch zwischen den Handelstouren mit Draufgänger etwas zu tun.
    Falls ich das Glück habe, sein Lehrling zu werden. Und dazu muss ich zuerst die Schule fertig machen.
    Der Gedanke riss mich aus meinem Freudentaumel. Trotzdem sagte ich: » Danke, Sir. Ich werde bereit sein.«
    Draufgänger nickte. » Kommt nächsten Samstag vor Anbruch der Morgendämmerung zu den Baracken. Wenn Oma Oaks irgendwelche Schwierigkeiten macht, sag ihr, sie soll zu mir kommen.«
    Wärme durchflutete mein Herz. Am liebsten hätte ich ihn umarmt, aber Draufgänger wäre davon wohl genauso wenig begeistert gewesen wie Seide, also begnügte ich mich mit einem kurzen Nicken. Ich lief zurück in die Baracke und schlüpfte wieder in das lästige Kleid. Mit einem leisen Fluch zog ich es mir über den Kopf, und an dem Kribbeln entlang meiner Wirbelsäule erkannte ich, dass es Bleich war, der es hinten zuknöpfte. Unten hatte er mich anfangs nur zögerlich angefasst, aber irgendwann war es, als würde die Berührung meiner Haut ihm Trost spenden. Oben hatte er mich zuerst umarmt und irgendwann auch geküsst, und schließlich gewöhnte ich mich so sehr an seine Hände, als wären sie immer da gewesen.
    » Ich muss zurück zum Schmied.« Pirscher fuhr mir mit den Fingern über die Wange, als er an mir vorbeiging, aber ich hatte nur noch Augen für Bleich.
    Bleichs Kiefermuskeln zuckten, und seine Lippen waren hart, als er die Berührung sah, und da begriff ich es: Vielleicht war Tegan doch nicht der Grund, weshalb

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