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Die Zuflucht

Die Zuflucht

Titel: Die Zuflucht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Aguirre
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waren. Oma Oaks passte zusätzlich auf, dass nichts Unanständiges geschah, und strich mir immer wieder besänftigend übers Haar.
    Noch nie hatten sich so viele Menschen Sorgen um meinen Gesundheitszustand gemacht. Beide schüttelten nur den Kopf, als sie die frischen Narben auf meiner Schulter und am Bauch sahen, mit denen sich meine besiegten Gegner auf meinem Körper verewigt hatten. Nicht einmal die Narben auf meinen Armen, die ich an meinem Namensgebungstag erhalten hatte, nötigten ihnen Respekt ab, aber das machte mir nichts aus. Im Sommer hatte ich allen gezeigt, was ich wert war, und niemand zweifelte mehr daran.
    Â» Es ist schlimm zu sehen, wie sie dich zugerichtet haben«, seufzte Oma Oaks.
    Â» Ich wünschte, jeder in Erlösung wäre so stark wie du«, schmeichelte mir Doc Tuttle. » Und dass du mir jetzt ja nicht anfängst zu simulieren.«
    Â» Was ist simulieren?«, fragte ich, nachdem er gegangen war.
    Â» Simulieren heißt, dass jemand so tut, als wäre er krank, damit er nicht arbeiten muss.«
    Â» Das würde mir nie einfallen.« Sein Kommentar verletzte mich, und ich hatte es satt, behandelt zu werden wie ein kleines Kind.
    Zwischen Bleich und mir hatte sich nichts verändert. Den Großteil seiner Zeit verbrachte er damit, sich von Edmund zum Schuhmacher ausbilden zu lassen. Ich konnte ihn mir zwar nicht als Schuster vorstellen, aber Edmund brachte ihm auch bei, wie man Harnische herstellte. Tegan wurde Heilerin, Pirscher Waffenschmied, und Bleich lernte, mit Leder umzugehen. Ich hatte das Gefühl, auch ich sollte mir noch eine andere Fähigkeit aneignen außer Kämpfen.
    Die Tage vergingen, ich flickte kaputte Kleidungsstücke und hing meinen düsteren Gedanken nach. Seit meiner Geburtstagsfeier war Pirscher kein einziges Mal mehr vorbeigekommen. Ich war froh, dass er mich endlich in Ruhe ließ, aber gleichzeitig tat es mir weh, ihn und Bleich verloren zu haben.
    Als ich wieder einigermaßen auf den Beinen war, schickte Elder Bigwater nach mir. Oma Oaks hatte alles versucht, um die schlechten Nachrichten von mir fernzuhalten, aber ich hatte Gerüchte gehört, und jetzt hatte der Stadtvorsteher eigens einen Boten geschickt. Es war derselbe Junge, der uns auf dem Schlachtfeld die Nachricht überbracht hatte, dass die Wagen in Sicherheit waren, und diesmal erkannte ich ihn wieder: Es war Zachariah Bigwater, den ich auf dem Tanzfest kennengelernt hatte.
    Justines Bruder war ein angesehener junger Mann, alle buhlten um seine Aufmerksamkeit, und er war eigens gekommen, um mich zu seinem Vater zu bringen. Er sah Justine nicht unähnlich, nur sein Haar war dunkler, hatte fast die Farbe der Ähren, die ich auf den Feldern geschnitten hatte. Und seine Gesichtszüge waren ausgeprägter, aber die Augen leuchteten in dem gleichen durchdringenden Blau. Mit Elder hatte er zu seinem Glück äußerlich nicht viel gemeinsam.
    Â» Du hast an der Seite meines Freundes Frank Wilson gekämpft«, sagte er auf dem Weg zum Haus der Bigwaters.
    Â» Er war ein guter Mann.«
    Bestimmt hat ihn sein Tod schwer getroffen.
    Â» Das war er. Wir sind zusammen zur Schule gegangen.«
    Â» Möchtest du etwas Bestimmtes über ihn wissen?«, fragte ich vorsichtig.
    Natürlich wollte er, sonst hätte er das Thema gar nicht erst angeschnitten. An seiner Stelle hätte ich gefragt, wie es passiert war, damit ich mir seinen Tod nicht ständig vorstellte, und das von Mal zu Mal grausamer. Andererseits war Frank in der Tat einen entsetzlichen Tod gestorben, der Zachs schlimmste Befürchtungen wahrscheinlich noch bei Weitem übertraf.
    Er ging langsamer. » Ist er einen ehrenvollen Tod gestorben?«
    Nein, dachte ich. Mit Ehre hatte das nichts zu tun, bei keinem der Gefallenen. Sie sind einfach gestorben. Ich wollte ihn nicht belügen, aber die Wahrheit wäre zu viel für Zach gewesen. Er hätte nur Nacht für Nacht davon geträumt, wie die Freaks seinen Freund in Stücke rissen, das Fleisch von den Knochen lösten und es in einen Sack packten. Also log ich doch, auch wenn mir die Worte beinahe im Hals stecken blieben. » Bleich sagte, er hätte bis zum Ende gekämpft und nicht aufgegeben.«
    Zachariah erwiderte nichts, und wir gingen schweigend weiter. Soweit ich mich erinnern konnte, wohnten die Bigwaters in einem prächtigen Gebäude, sauber und frisch gestrichen. An der Seite erstreckte sich

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