Die Zuflucht
Arme vor der Brust und funkelte mich an wie eine wütende Jägerin. Ihr Mund war ein weiÃer Strich, als müsste sie sich beherrschen, mich nicht zu schlagen.
Ich zuckte instinktiv zurück, und Zach legte mir eine Hand auf den Rücken. Normalerweise hätte ich ihm dafür eine Ohrfeige verpasst, aber die Situation war auch so schon angespannt genug.
» Was hat sie hier zu suchen?«, fragte die Frau barsch.
Zach stellte sich vor mich. » Wir sind bereits am Gehen, Mutter.«
Das war also Mrs. Bigwater. Wütend stapfte sie an mir vorbei ins Arbeitszimmer ihres Mannes, und ihre zornigen Worte schallten bis hinaus auf den Flur. » Ich kann nicht fassen, dass du sie zu uns eingeladen hast, wo du doch ganz genau weiÃt, was ich von ihr halte. Sie ist der Grund für diese Katastrophe, und als Nächstes wird sie noch die Stolzseuche über uns bringen. Du musst etwas unternehmen, aber du weigerst dich ja, mir zuzuhören. Und um alles noch schlimmer zu machen, gestattest du ihr, unsere Kinder zu behelligen! Ich werde das nicht längerâ¦Â«
» Setz dich, Caroline.«
Zach zog mich von der Tür weg und brachte mich nach drauÃen. Ich folgte ihm blind und dachte an die Frau, die bei der Versammlung versucht hatte, ihre Mitbürger gegen mich aufzubringen. Auch das war Elders Frau gewesen. Mir schwante nicht Gutes.
» Tut mir leid, was du eben mit anhören musstest«, sagte Zach.
Er war zwar älter als ich, aber trotzdem war er noch ein Junge. Er strahlte eine Unschuld aus, die ich längst verloren hatte. Ich war absolut sicher, dass ihm sein Vater nicht die Wahrheit über unsere Lage gesagt hatte, denn andernfalls wäre er bestimmt nicht so ruhig gewesen.
» Manche Menschen tun sich eben schwer damit, jemanden zu akzeptieren, der anders ist als sie.«
» Ich finde nicht, dass du so anders bist«, entgegnete er.
Was nur daran liegen konnte, dass er nicht unter die Oberfläche schaute. Er sah meinen hübsch geflochtenen Zopf, das Haarband und ein gebügeltes Kleid, mehr nicht. Die Dinge, die ich gesehen hatte, konnte er sich nicht einmal vorstellen, aber ich sah keinen Sinn darin, ihm die Augen zu öffnen. » Wo lang?«
» Hier.« Er deutete in Richtung der Stadttore.
Es überraschte mich nicht, dass Draufgänger an einem Ort gewohnt hatte, von wo aus er die Stadt schnell verlassen und auf Handelsreise gehen konnte. Wer diese Aufgabe jetzt wohl übernehmen würde? Ich hoffte, er hatte mich als seine Nachfolgerin vorschlagen, aber das war im Moment die geringste meiner Sorgen.
» Ist es das hier?«, fragte ich ein paar Minuten später.
Das Haus war klein und einfach, sogar noch bescheidener als das der Oaks, aber es sah gemütlich aus. Die Vorstellung, dass alles, was sich darin befand, jetzt mir gehörte, war mir unangenehm, denn sie bedeutete, seinen Tod endgültig zu akzeptieren. Gleichzeitig war ich überwältigt von dem Gedanken, wieder einen Platz zu haben, der mir allein gehörte.
Zach nickte. » Hier hast du den Schlüssel. Soll ich mit reinkommen?«
Nein . Ich wollte jetzt allein sein. » Danke, aber ich bin sicher, du hast wichtigere Dinge zu erledigen.«
Zach verabschiedete sich, und ich betrat zum ersten Mal Draufgängers Zuhause. Es roch nach den Kräutern, mit denen er immer seine Kleidung beduftet hatte. Von der Eingangstür trat man direkt ins Wohnzimmer. Die Möbel darin sahen hastig zusammengezimmert aus, als hätte er sie in aller Eile selbst gemacht. Nur ein paar Kissen milderten den Eindruck etwas ab. Bestimmt hatte seine Frau sie genäht. Wahrscheinlich hatte er versprochen, es beizeiten schöner einzurichten, aber dann war sie gestorben, und er hatte alles gelassen, wie es war, um die Erinnerung an sie lebendig zu halten. Der Anblick von Draufgängers Zuhause sagte mir viel über das Leben, das er geführt hatte, über seine Einsamkeit, seine Trauer und seine unerschütterliche Loyalität.
Es war ein einfaches Heim. Links ging es zur Küche, auf der anderen Seite ins Schlafzimmer. Von der Küche führte eine Leiter nach oben, und ich kletterte hinauf. Der Raum unter dem Dach war leer. Wahrscheinlich sollten hier einmal ihre Kinder wohnen, aber Draufgänger hatte nie die Chance gehabt, welche zu bekommen. Tränen brannten in meinen Augen. Als er starb, hatte ich mir geschworen, eines Tages das Mädchen in mir um ihn trauern zu
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