Die Zuflucht
sich vor nichts. Ein guter Jäger musste wissen, wann es gefährlich wurde.
» Ich kann nicht fassen, dass wir den ganzen Sommer hier drauÃen sein werden«, murmelte Frank.
Pirscher warf ihm einen abschätzigen Blick zu. » Wir waren den ganzen Winter drauÃen.«
Eigentlich hatten wir in einem kleinen Haus Unterschlupf gefunden, aber Frank schien so sehr auf unsere Fähigkeiten zu zählen, dass ich ihm die Illusion lieber lassen wollte. Bleich behielt unbeirrt die Baumlinie im Auge, wie Draufgänger es befohlen hatte, und schien die Unterhaltung nicht mitzubekommen. Allein sein Anblick erfüllte mich mit Entzücken, aber ich lieà mich nicht ablenken.
» Davon habe ich gehört«, erwiderte Frank. » Seid ihr wirklich aus Gotham gekommen?«
Wenn ich jedes Mal, wenn mir diese Frage gestellt wurde, ein neues Messer bekommen würde, hätte ich sie mittlerweile nicht einmal mehr tragen können. Ich überlieà Pirscher das Antworten.
» Sind wir«, sagte er.
» Wie ist es dort? Stimmt das mit den pferdelosen Wagen und den fliegenden Kutschen?«
Anscheinend war Frank doch jünger, als ich ursprünglich gedacht hatte.
» Natürlich«, antwortete Pirscher. » AuÃerdem gibt es Brunnen, aus denen Apfelwein sprudelt, und Türme aus poliertem Silber.«
Frank wurde rot. » Entschuldigung«, murmelte er.
Er tat mir leid. » Es ist ein einziger Ruinenhaufen«, erklärte ich, aber er schien es Pirscher nicht übel zu nehmen. Wahrscheinlich wollte er sich lieber uns anschlieÃen als den anderen, die alle mindestens zehn Jahre älter waren. Die meisten von ihnen hatten Familien. Sie standen in kleinen Grüppchen zusammen und beklagten sich über ihr bitteres Los. Doch Frank war anders. Vielleicht passte er tatsächlich besser zu uns als zu seinen Mitbürgern. AuÃerdem hatte ich versprochen, ihm ein paar Techniken zu zeigen. Hoffentlich war später ein bisschen Zeit dazu.
» Wer hätte gedacht, dass die Stummies auf die Idee kommen, unsere Ãcker zu zerstören?«, sprach er weiter, offensichtlich fest entschlossen, sich mit uns zu unterhalten.
Er erinnerte mich an Zwirn, den in der Enklave niemand gemocht hatte. Er war klein und schmächtig gewesen und Seides rechte Hand. Leider hatte er im Gegensatz zu ihr keinerlei natürliche Autorität, aber am Ende hatte er sich als unser gröÃter Verbündeter herausgestellt. Dasselbe könnte für Frank gelten, und ich wollte ihn lieber nicht vor den Kopf stoÃen. Wir könnten eines Tages auf ihn angewiesen sein.
» Sie haben sich verändert«, sagte ich nachdenklich. » Könnte sein, dass es zwei verschiedene Arten gibt: die Dummen und die anderen, die uns aufgelauert haben.«
Das war natürlich nur eine Vermutung. Bleichs Vorschlag, welche zu fangen und ihr Verhalten zu studieren, fiel mir wieder ein. Ich bezweifelte, dass sich auf diese Weise herausfinden lieÃ, warum sie sich verändert hatten. AuÃerdem konnte ich mir nur zu gut vorstellen, wie Stadtvorsteher Bigwater auf einen so verrückten und gefährlichen Plan reagieren würde.
Pirscher beschattete seine Augen und spähte hinüber zu den Bäumen. » Wenn das stimmt, ist unser Schicksal besiegelt.«
Damit war die Unterhaltung fürs Erste beendet.
Die Stunden vergingen langsam; die meiste Zeit standen wir da und hielten Ausschau nach möglichen Anzeichen von Gefahr. Zur Mittagszeit aÃen wir Brot und getrocknetes Fleisch. Ich hoffte, die Mahlzeiten würden besser werden, sobald wir den Vorposten errichtet hatten.
Tegan saà neben mir. Das verletzte Bein hatte sie gerade nach vorne gestreckt.
» Tut es immer noch weh?«
Sie warf mir einen wütenden Blick zu. » Würdest du das die anderen auch fragen?«
» Nein, aberâ¦Â«
» Lass sie in Ruhe«, mischte sich Pirscher ein. » Sie ist hart im Nehmen.«
Ich schaute ihn verdutzt an, aber er hatte sich schon wieder weggedreht und erzählte Frank davon, wie wir eine Woche lang nichts anderes zu essen hatten als Fisch, was leider der Wahrheit entsprach. Ich hoffte, nie wieder im Leben einen Fisch auch nur zu Gesicht zu bekommen.
Tegan beobachtete Pirscher. Sie schien genauso verwirrt wie ich, aber auch irgendwie dankbar. Sie wurde einfach nicht schlau aus ihm.
» Ich weiÃ, du meinst es nur gut«, flüsterte sie und stand auf. » Aber du musst mich nicht
Weitere Kostenlose Bücher