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Die Zukunft des Mars (German Edition)

Die Zukunft des Mars (German Edition)

Titel: Die Zukunft des Mars (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Klein
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Wahl. Sie mussten sich auf das fragliche Arrangement verständigen. Es blieb ihnen nichts anderes übrig, als dem Versprechen der Sowjets zu vertrauen und ihrerseits strengste Verschwiegenheit zu geloben. Zwei Riesen in Bedrängnis legten sich gegenseitig die Finger an die Lippen: Psst!
    Das russische Geheimnis scheint uns beiden, weil es das unsere war, bis heute das größere, das kältere zu sein: vierzehn Schiffe hinter dem Rücken der Welt! Die besten, die bestgeschulten Söhne und Töchter des Sowjetreichs wurden heimlich auf eine Reise geschickt, die wie der Pfeil der Zeit nur eine Richtung kannte. Flüge ohne die Gnade der Wiederkehr!Darüber muss Elussa schlimm erschrocken sein. Wir wissen, dass sie, die Emigrantin, besonders innig an die ofenwarme Güte der russischen Seele glaubt. Bestimmt schlug deine Lehrerin die Hände auf die schön geschwungenen Wangen und beteuerte, von all dem habe sie nie gehört. Als brave Russin durfte sie nicht glauben, dass man in ihrer Heimat hierzu fähig war. Wahrscheinlich floh unsere Kosmonautin zuletzt in die Überzeugung, dein Buch lüge sich einfach, warum auch immer, seine eigene Weltraumvergangenheit zurecht.
    Frau Doktor Hu, die es gern sieht, wenn ich flüssig schreibe, legt mir die Hand auf meine linke Schulter und streicht mir sanft über den Hinterkopf. Seit Weihnachten ist dessen Blöße unbedeckt. Als die Männer des Don die Tür unserer Werkstatt sprengten, hatte ich Mordock eben fertig vorgelesen und fühlte mich davon schlimm erschöpft. Letztlich war es ein Fehler gewesen, den trockenen Abriss der Ereignisse mit lang nicht mehr Erinnertem, mit Zahlen, Namen, mit der Heraufbeschwörung von Miterlebtem anzureichern. Aufblickend sah ich die braunen Kampfanzüge, die blau verspiegelten Visiere, die kohlenschwarzen Mündungen der Waffen, die zweifellos auf meinen Kopf, vermutlich präzis auf meine Stirn gerichtet waren.
    Ich spürte Erleichterung. Ein altes, irgendwann vergessenes Gewicht rutschte mir von der Seele, gleichzeitig wurden meine Arme, meine an Mordocks Körper tätig gewesenen Hände schwerer als Blei. Ich dachte lustigerweise sogar an das Periodensystem der Elemente, an jene Reinstoffe, die ähnlich gewichtig wie Blei sind, an Platin, an Uran und Gold. Obwohl man mich bereits zum zweiten Mal scharf anrief, war ich außerstande, die Finger von den Knien zu lösen und meine Unterarme, so wie die Kämpfer Dorokins es erneut verlangten, über den Rand der Tischplatte ins Sichtbare zu heben.
    Als dann, urplötzlich, die Schaufensterscheibe unseres Ladens wie eine große, vibrierende Membran mehr dröhnte denn klirrte, verstand wohl keiner, woher die Kraft kam, die das Glas in Schwingungen versetzte. Einer der Soldaten, die mich bedrohten, wandte sich um, und wie er sich erneut zu mir herdrehte, sah ich, dass er das Visier seines Helms nach oben geschoben hatte. Und jetzt, indem ich dies in wenige Zeilen bringe, gaukelt mir mein Erinnern vor, es sei just der Mann gewesen, mit dem ich mich neuerdings im Rauchen und im Reden übe.
    «Nicht schießen! Der Alte mit dem Mützchen ist ungefährlich!», hörte ich Frau Doktor Hu, deren Stimme ich bis dahin nur aus unserem Lauschangriff gegen die Kirche kannte, aus dem Verkaufsraum herüberrufen. Ich musste lächeln, wahrscheinlich sogar grinsen. Wie komisch, wie rührend komisch, dass die kluge Hu vorgab, dich so zu verkennen, und dümmlich grinsend bekam ich die eben noch plutoniumschwer gewesenen Hände in die Höhe.
    Die folgende Stunde, in der es so finster wurde, wie es sich für einen Heiligen Abend wohl gehört, ist kreuz und quer mit so viel Wahrgenommenem verstopft, dass ich mich bis an das Ende unserer Tage mühen werde, die Ereignisse auf die glatte Schnur des Eins-nach-dem-Anderen zu fädeln. Mit dem erstbesten Kabel, das man in unseren Regalen fand, wurde ich an den Stuhl gefesselt. Ich hörte Juri Fragen und Befehle in sein Don-Mobilphon brüllen, und habe mir irgendwann zusammenreimen können, dass die Schaufensterscheibe unseres Elektronischen Hospitals den Aushall einer Explosion empfangen hatte, der die Dreifaltigkeitskirche zum Opfer gefallen war. Zuerst glaubte der Don an einen Angriff des Alten Ogo oder des Weißen Khan, aber dann wurde aus den nach und nach bekannt werdenden Umständen ersichtlich, dass den Dialogischen Brüdern ihr bislang folgenreichster Anschlag auf die neue Ordnung Germanias gelungen war.
    Während ich an den Stuhl gebunden worden war, hatte mir einer von Dorokins

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