Die Zwei Schwerter, Band 1: Der Ansturm der Orks (German Edition)
gewählt. Ein dünnes, graues Oberteil wurde von einer goldfarbenen Schärpe umschlungen und durch einen wallend weiten, aus weißem Samt gearbeiteten Umhang aufgewertet. In der rechten seiner auf den Armlehnen des hohen Sitzes ruhenden Hände hielt der Herrscher ein silbernes Szepter, welches an seinem runden Kopf mit eckigen, in verschiedenen Farben funkelnden Diamanten besetzt war. Das Halten der königlichen Insignie bereitete ihm aufgrund deren Gewicht ganz offensichtlich einige Mühe, da seine Finger und Handgelenke unentwegt leicht zitterten und den kostbaren Gegenstand immer wieder zeitweilig sinken ließen.
Neben Kheron saß eine Frau, nämlich seine drei Jahre jüngere Gemahlin Coentia. Ihr Gesicht war weniger würdevoll als schlicht, und in der für eine Königin unerlässlichen edlen und einmaligen Kleidung schien sie sich auch nach all den Jahren der Gewöhnung kaum wohl zu fühlen. Sie war eine stille Person, die sich niemals in die Geschäfte ihres Mannes und des Reiches einmischte und sich Zeit ihres Lebens darauf beschränkt hatte, eine gute Gattin und Mutter zu sein.
An der linken Seite der Königin befand sich die Tochter des Herrscherpaares. Über deren Schönheit wurde viel erzählt, und selbst große Künstler hatten zahlreiche Lieder und Gedichte darüber verfasst. Schon unzählige Männer hatten bis dahin erfolglos um ihre Hand ersucht und gewetteifert, und dies obgleich ihr Vater selbst ihr im Laufe der Zeit mehrere, aus seiner Sicht geeignete Kandidaten vorgestellt hatte. Wobei hierzu anzumerken bleibt, dass er bei seinen Vorschlägen stets praktische Belange in den Vordergrund stellte und die Söhne reicher, lemurischer Kaufleute oder hochrangiger Militärs, von denen viele seine persönlichen Freunde waren, bevorzugte. Seine Tochter allerdings verfügte über genügend Selbstvertrauen, sodass sie den Bemühungen ihres Vaters regelmäßig nur wenig Gegenliebe entgegenbrachte.
Merian war ein Geschöpf so zart wie ein Falter und so anmutig wie die schönsten aller Blumen Arthiliens, und doch war sie keineswegs so zerbrechlich wie sie auf den ersten Blick erschien. Ihre Haare waren lang, schwarz und glänzend, und eine kleine, silberne Zierspange verlieh diesen einen zusätzlichen Schmuck. Ihr Körper war schlank, wenn auch nicht dünn, ihre Kleider waren ähnlich wie die der Königin standesgemäß, doch nicht vor Kostbarkeit protzend, und ihr so schön geformtes Gesicht war feinlinig, weich und voller Würde. Unübersehbar hatte sie die besonnene Ernstlichkeit und den schwer lastenden Sinn von Verantwortung für ihre Mitmenschen aus der Linie ihres Vaters geerbt. Gleichwohl waren zum anderen die Güte, Wärme, Genügsamkeit und Empfindsamkeit ihrer Mutter in sie übergegangen, und dies alles vereinte sie zu einem unsagbar anziehenden, neidlos bewundernswerten Wesen.
Zur Rechten des Königs befand sich weiterhin Aidan, dessen jüngstes Kind und auserkorener Nachfolger auf dem Thron des Reiches Lemuria dereinst.
Der junge Mann war nach allgemeiner Meinung gut aussehend und hatte dunkles, glattes Haar, welches er in Nackenlänge trug und stets durch sorgfältigen Schnitt und kundige Kammführung in einer aufwändigen und ansprechend anzusehenden Art herrichten ließ. Die Farbe seiner Haut war ein wenig dunkler als diejenige seiner Verwandten und mochte womöglich darauf zurückzuführen sein, dass er die Sonne liebte und sich mit seinen Freunden so oft wie nur möglich in den Südwesten des Reiches ans Meer begab. Allerdings war seine freie Zeit mittlerweileknapp bemessen, da er von seinem Vater längst in die wichtigsten, das Land betreffenden Entscheidungen und Verantwortungen eingebunden war. Als Thronerbe verlangte Kheron fürwahr viel von ihm.
Aidan nahm dieses Vertrauen jedoch nur allzu gern entgegen, denn seit seinem Knabensein war er von dem inneren Verlangen erfüllt, irgendwann mit denjenigen Pflichten betraut zu sein, welche mit dem Amt des Königs verbunden waren. Darüber hinaus trachtete er danach, in möglichst vielen Bereichen Kenntnisse zu erlangen, sodass er sich von den besten Lehrmeistern des Landes im Schwertkampf unterrichten ließ und sich auch in musischen und intellektuellen Gebieten ausnehmend interessiert zeigte. In jungen Jahren stand er gar einmal kurz davor, eine Rolle in einem Bühnenstück zu übernehmen, was er jedoch schließlich auf das vehemente Drängen seines Vaters hin unterließ. Dieser glaubte damals nicht, dass das leichtfertige Wesen der Kunst
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