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Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Titel: Die zweite Fahrt zur Schatzinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Leeson
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niedergesetzt. Ich konnte gerade noch die Züge
des jungen Oakleigh erkennen, und hinter ihm standen, stockstill, der alte John
und die anderen Gesellen.
    Ich stopfte mein Hemd in die
Hosen, als ich vom staubigen Boden hochkrabbelte und sagte töricht: „Fräulein
Tilly bringt mir das Lesen bei.“
    „Es geht nicht darum, was sie
dir beibringt, sondern darum, was du ihr beibringst“, kam die Antwort, als ihr
Vater mich zur Werkbank führte. Er wandte sich zu den Gesellen und sagte ruhig:
    „Ich werde ihn
,vernünftig’ schlagen, bis ich sein Blut sehe. Und jetzt geht raus,
alle.“
    Damit band er mich mit einem
Riemen auf einem Holzbock fest, nahm ein Seil aus dem Werkzeugkasten und hieb
auf mich ein. Als erstes litt mein schöner schwarzer Anzug, der in Fetzen
zerriß, als nächstes mein Rüschenhemd und zuletzt meine kostbare Haut und das
Fleisch, das sie so glatt bedeckte.
    Ich hätte vielleicht alles
ertragen, selbst das Blut, das über meinen Hintern strömte, aber dann schnellte
mir das Seilende so heftig ins Auge, daß es mich halb blind machte und mich ein
messerscharfer Schmerz durchfuhr. Ich schlug wie verrückt mit den Armen um
mich, kriegte einen schweren Holzhammer auf der Hobelbank zu fassen und
schleuderte ihn mit einem Ruck hinter mich.
    Als der Meister sich über mich
beugte, um wieder zuzuschlagen, traf der Hammer ihn mitten auf die Schläfe. Ich
hörte Oakleigh zu Boden fallen, und meine Kameraden eilten herein.
    John band mich los.
    „Kannst du stehen, Junge?“
    „Ja.“
    Er beugte sich an mein Ohr.
    „Dann renn los, Tom.“
    „Rennen?“
    „Ja, ich glaube, du hast ihn
umgebracht. Renn um dein Leben, Junge!“

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3 .
Der schwarze Kutscher
     
     
    Ich rannte darum — aus der
Werkstatt hinaus, das Gäßchen auf der Rückseite der Häuser hinunter und ins
Land hinaus. Als ich loslief, warf der alte John eine Segeltuchjacke über meine
Schultern, eine Jacke, wie die Seeleute sie tragen. Sie hing mir bis in die
Kniekehlen und verbarg den zerfetzten Begräbnisstaat und die immer noch
blutenden Striemen auf meinem Rücken. Meine eleganten Schuhe mit den
Silberschnallen schleuderte ich im Rennen fort. Sie sahen gut aus, aber sie
zwickten mich an den Zehen. Ich war nicht auf dem Weg zu einem Begräbnis, auch
nicht zu meinem eigenen, wenigstens nicht, solange ich es verhindern konnte. In
meinem kurzen Leben wäre ich einmal fast beerdigt worden, und ich hatte kein
Verlangen, es noch einmal zu versuchen.
    Bevor ich merkte, wohin ich
lief, war ich zwei Meilen von Oakleighs Haus entfernt und hatte den halben Weg
auf der Straße nach Bridgewater zurückgelegt. Es war jetzt dunkel, und die
Lichter der kleinen Laternen in den Bauernhäusern, an denen ich vorüberkam,
leuchteten wie Sterne in der Schwärze zwischen Himmel und Erde. Die Straße war
staubig und trocken, aber zerfurcht vom Rollen vieler Wagenräder. Ich stolperte
und strauchelte vor Müdigkeit und verlangsamte das Rennen bald zum Gehen. Dann
hielt ich an und horchte. Die Stille war so tief wie die Dunkelheit. Wenn sie
mich verfolgten, dann waren sie weit zurück.
    Ich verließ die Straße,
schleppte mich mühsam über eine Wiese und fand einen Platz zum Ausruhen am Fuß
eines Heuschobers. Die Verurteilten schlafen tief, und ich schlief wie ein
Mann, der gehängt werden sollte, was mir ja zweifellos bevorstehen würde. Aber
ich hoffte immer noch, diese Angelegenheit eine Weile hinauszuschieben. Das
Spiel stand schlecht, aber ich hatte keine Eile, die Karten ganz vom Tisch zu
fegen.
    Ich wachte auf, als es weiß
über den Wäldern dämmerte. Mein Rücken brannte wie Feuer, und der Magen drehte
sich mir um. Doch ich gelangte auf die Straße und ging so schnell ich konnte.
Bridgewater liegt an der Postkutschenstrecke von Exeter nach Bristol, deren
Häfen vollgestopft mit Schiffen waren, die in alle Richtungen des Kompasses
strebten. Wenn sie mich nicht henkten, dann würden sie mich deportieren. Doch
ich gedachte ihnen zuvorzukommen und Abschied vom guten alten England zu
nehmen, sobald ich konnte. Wohin ich auch segelte, dachte ich, dort starben
Leute und brauchten Särge. Nicht daß ich ein vollausgebildeter Sargtischler
war, beileibe nicht. Aber ich war geschickt mit dem Besen und Bierkrug. Ich
konnte in schwarzem Samt ernsthaft dreinschauen oder süß bei einer Feier
singen. Ich legte einen Schritt zu und kam auf dem Marktplatz in Bridgewater
an, als die Postkutsche eintraf. Ohne Zeit zu verlieren, sprang ich

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