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Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Die zweite Fahrt zur Schatzinsel

Titel: Die zweite Fahrt zur Schatzinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Leeson
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kletterte wieder
auf den Kutschersitz und gab den Pferden die Peitsche. Fort ging es, aber nicht
in die Luft hinauf, sondern die Straße entlang. Es war ein Wunder. Lieferten
sie jede sterbliche Seele mit der Kutsche ein, oder war ich ein besonderer
Fall? Der mit der weißen Perücke beugte sich über mich und studierte mich
genau, während wir beim Fahren hin und her schwankten. Ich konnte sein Gesicht
in der Dämmerung kaum erkennen. Aber die Kutsche war gut gefedert und gepolstert,
und ich saß bequem. Dann sah ich, daß er mir eine Schnupftabakdose anbot. Ich
schüttelte den Kopf. Er lächelte. „Komm schon. Ich kann doch sehen, daß du
hungrig bist. Es ist kein Schnupftabak. Den nehme ich nie. Es ist italienischer
Käse, sehr nahrhaft. Probier mal, ich seh’ ja, daß du Hunger hast.“ Ich beugte
meinen Kopf über die Dose und schnupperte.
    „Ah, Parmesan“, sagte ich,
„besser zum Kochen.“ Dann errötete ich wegen meiner Unverschämtheit. Doch er
lachte.
    „Oho, was für ein Junge! Ein
Feinschmecker in Lumpen.“ Und er schlug mir auf die Schulter. Der Schmerz
durchzuckte mich bis in den Bauch. Ich scheute wie ein Fohlen. Er drehte sich
um, klopfte mit der Faust ans Dach, und die Kutsche hielt. Ohne mir Zeit zum
Denken zu lassen, zog er mir die Segeltuchjacke hinunter, schaute sich meinen
Rücken an und untersuchte ihn mit den Fingern.
    „Ruhig, Junge. Welcher Schuft
hat dir diese Prügel gegeben?“ Ich setzte zu einer Antwort an, aber etwas sagte
mir, daß dies am Ende vielleicht doch nicht Gabriel oder Petrus wäre.
    „Komm schon, Junge. Du kannst
es mir sagen. Mein Name ist Livesey, Dr.
Livesey. Ich bin
nicht nur Arzt. Ich bin auch Amtsperson. Sag mir nur den Namen des Halunken,
und ich werde wirksame Maßnahmen ergreifen, um ihn ausfindig zu machen und zu
schnappen.“
    Stop, dachte ich. Ich könnte
einem Erzengel vielleicht sagen, daß ich ausgerissen bin und meinen Meister
erschlagen habe, aber nicht einer Amtsperson, nicht einmal einer freundlichen
mit einer Schnupftabakdose voll Parmesan. In solchen Augenblicken ist Schweigen
Gold. Ich tat das Beste, was ich konnte. Schloß die Augen und glitt wie in
einer tödlichen Ohnmacht seitlich auf meinen Sitz. Der Doktor verschwendete
keine weiteren Worte, sondern klopfte noch einmal, und wir fuhren wieder ab.
Ich brauchte bald nichts mehr vorzutäuschen. Das Rollen der Kutsche, der weiche
Ledersitz und die milde Luft wirkten zusammen und ließen mich einschlafen.
    Ich fühlte weder, daß die
Kutsche hielt, noch daß Daniel mich auf den Armen trug, sondern wachte erst
auf, als er mich wieder niedersetzte. Die Wärme eines großen Feuers schlug mir
entgegen. Am Herd stand, die Hände auf den Hüften, drall und untersetzt eine
Köchin, ebenso schwarz wie Daniel; und ein junger Bursche in
Dienstbotenkleidung, ebenfalls schwarz. Ich hatte schon von solchen Haushalten
gehört, wo sie Neger hatten, die in Bristol gekauft oder von Jamaica oder
Barbados verschifft worden waren. Aber wenige der vornehmen Häuser, in denen ich
gewesen war, hatten solche Beute gemacht. Dies mußte ein reicher Mann sein.
Obwohl dieser Dr. Livesey für mich nicht das Aussehen eines reichen Mannes
hatte. Dafür hatte er etwas zu Energisches und Geschäftsmäßiges an sich.
    „Wie heißt du?“ fragte die Köchin.
Es war nichts dabei, darauf zu antworten.
    „Tom“, sagte ich.
    „Gut, Tom. Der Squire sagt, ich
soll dir was zu essen geben, während Betsy etwas für deinen Rücken bringt.“ Sie
setzte mir eine Holzschüssel auf die Knie, gab mir einen Löffel, und ich haute
rein. Der erste Bissen, Hammelfleisch und Gemüse, war so heiß, daß ich hätte
schreien können, wenn mein Mund nicht so voll gewesen wäre. Doch der Schmerz
ließ mich nicht aufhören. Ich schlang den Bissen runter und schob den nächsten
rein. Im Nu war ich fertig.
    Genauso schnell nahm sie die
Schüssel und füllte sie wieder auf. Ich aß die nächste Portion langsamer und
hatte mehr davon. „Thymian und Majoran.“
    Sie brach in Lachen aus und
schlug sich auf die Schenkel. Der Diener grinste.
    „Du ein Küchenjunge, Tom?“
    „Nein“, fing ich an und hörte
auf, bevor mir das Wort „Leichenbestatter“ über die Lippen gekommen war.
    Jemand war hinter mich
getreten, während ich aß und er begann rasch, aber vorsichtig, mit einem
warmen, nassen Tuch die Lumpen von meinem Rücken zu weichen. Ich setzte die
Schüssel ab und riskierte einen Blick über die Schulter, bekam flüchtig ein
braunes Gesicht

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