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Die zweite Haut

Die zweite Haut

Titel: Die zweite Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dean R. Koontz
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elektrischen Strom in einem Haushalt. Statt den Schalter die ganze Zeit in der Position EIN zu lassen, kann er die Verbindung kurze Zeit öffnen, gerade so lange, daß er den Sog des falschen Vaters spüren und ihn anpeilen kann.
    Die Logik spricht dafür, daß er die Kraft, die durch die übersinnliche Leitung fließt, auch verändern kann. Wenn er sich vorstellt, daß es sich bei der übersinnlichen Begabung um einen Schalter mit Dimmer handelt – einen Rheostat –, müßte es ihm gelingen, die Spannung des Stroms in der Leitung zu senken, so daß der Kontakt subtiler als bisher wird. Schließlich kann man mit einem Dimmer auch das Licht einer Lampe stufenlos regulieren, bis das Leuchten kaum noch zu erkennen ist. Wenn er sich die übersinnliche Fähigkeit als Dimmer vorstellt, kann er die Verbindung vielleicht auch mit einer so geringen Spannung herstellen, daß er den falschen Vater suchen kann ohne den Widersacher wissen zu lassen, daß er gesucht wird.
    Er hält an einer roten Ampel im Zentrum von Mission Viejo und stellt sich einen Dimmerknopf mit einer Dreihundertsechzig-Grad-Regulierung vor. Er schaltet nur auf neunzig Grad und verspürt sofort den Sog des falschen Vaters etwas weiter östlich und jetzt auch ein Stück weiter nördlich.
    Vor der Bank, auf halbem Weg zum BMW, verspürte Marty plötzlich eine erneute Druckwelle – und dahinter den alles niederwalzenden Schnellzug aus seinen Träumen. Das Gefühl war nicht so stark wie bei den Vorfällen im Bankgebäude, aber es überkam ihn mitten im Schritt und brachte ihn aus dem Gleichgewicht. Er taumelte, stolperte und fiel. Die beiden Umschläge mit dem Bargeld flogen ihm aus den Händen und rutschten über den Asphalt.
    Charlotte und Emily liefen den Umschlägen nach, während Paige Marty auf die Füße half.
    Als die Woge vorüberging und Marty zitternd wieder stehen konnte, sagte er: »Hier, nimm den Schlüssel, es ist besser, wenn du fährst. Er jagt mich. Er kommt.«
    Sie sah sich panisch auf dem Parkplatz der Bank um.
    Marty sagte: »Nein, er ist noch nicht hier. Es ist wie vorher. Das Gefühl, auf den Schienen eines rasenden Schnellzugs zu liegen.«
    Zwei Blocks. Vielleicht nicht einmal so weit.
    Er fährt langsam. Sucht die Straße rechts und links ab. Sucht nach ihnen.
    Hinter ihm ertönt eine Hupe. Der Fahrer ist ungeduldig.
    Langsam, langsam, er sieht mit zusammengekniffenen Augen nach links und rechts, betrachtet die Passanten auf den Bürgersteigen ebenso wie die vorbeifahrenden Autos.
    Wieder die Hupe hinter ihm. Er macht eine obszöne Geste, was den Kerl da hinten einzuschüchtern scheint.
    Langsam, langsam.
    Sie sind nicht zu sehen.
    Versuch es wieder mit dem geistigen Dimmer. Dieses Mal nur sechzig Grad. Immer noch ein starker Kontakt, ein drängender und unwiderstehlicher Sog.
    Voraus. Links. Einkaufszentrum.
    Als Marty sich auf den Beifahrersitz des BMW setzte und die Tür zuschlug, während er die beiden Umschläge mit dem Geld hielt, die ihm die Kinder gegeben hatten, wurde er wieder von einem Kontakt mit dem Anderen geschüttelt. Die Wucht des Kontakts war schwächer als jemals zuvor, aber diese Schwäche tröstete ihn nicht im geringsten.
    »Bring uns so schnell wie möglich hier weg«, drängte er Paige, während er die geladene Beretta unter dem Sitz hervorholte.
    Paige ließ den Motor an, und Marty drehte sich zu den Kindern um. Sie legten gerade die Sicherheitsgurte an.
    Als Paige den Rückwärtsgang des BMW einlegte und rückwärts aus der Parklücke stieß, sahen die Mädchen Marty in die Augen. Sie hatten Angst.
    Er empfand zuviel Respekt vor ihrer Feinfühligkeit, um sie anzulügen. Statt so zu tun, als wäre alles gut, sagte er: »Haltet euch fest. Eure Mom versucht zu fahren wie ich sonst.«
    Paige, die aus dem Rückwärtsgang schaltete, fragte: »Aus welcher Richtung kommt er?«
    »Ich habe keine Ahnung. Fahr einfach nicht den Weg zurück, den wir gekommen sind. Da habe ich ein schlechtes Gefühl. Nimm die andere Straße.«
    Er fühlt sich mehr zu der Bank als zu dem Einkaufszentrum hingezogen und parkt in der Nähe des östlichen Eingangs.
    Als er den Motor abschaltet, hört er kurz Reifen quietschen. Aus dem Augenwinkel bemerkt er ein Auto, das schnell vom südlichen Ende des Gebäudes wegfährt. Er dreht sich um und sieht einen weißen BMW fünfundzwanzig bis dreißig Meter entfernt. Dieser saust wie ein Blitz an ihm vorbei Richtung Einkaufszentrum.
    Er kann das Gesicht der Fahrerin nur teilweise erkennen – ein

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