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Die Zweitfrau

Die Zweitfrau

Titel: Die Zweitfrau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriele Ploetz
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anderen Weg gefunden. Damit wird Peter nicht richtig fertig.
    „Hättest du ihm das Geld gegeben, wenn er dich gefragt hätte?“
    „Ich weiß nicht. Weißt du, ein Motorrad ist doch wesentlich gefährlicher als ein Auto. Da hab ich schon so meine Bedenken. Nein, recht wäre es mir auf keinen Fall gewesen.“
    „So, was hättest du also gemacht, oder besser, gesagt, wenn dein Sohn dich gefragt hätte?“
    „Ich hätte meine Bedenken geäußert, hätte versucht, ihn davon abzubringen.“
    „Aha, da haben wir es doch. Das hat Thomas offensichtlich umgehen wollen. Er hat dieses Motorrad gewollt - ohne große Diskussionen, ohne Rechtfertigung. Ohne zu hören, dass es gefährlich ist“, sage ich ihm. „Schließlich kennt er dich und deine Meinung sicher zur Genüge. Er will nicht reden, sondern fahren. Nicht mehr, nicht weniger. Das hat doch mit deiner Qualifikation als Vater gar nichts zu tun.“
    Seinen Einwand, dass dieses Arrangement nicht klappen wird, wenn drei Leute sich ein Motorrad teilen, den kann ich selbstverständlich nachvollziehen.
    Wir lachen zusammen über unsere Bedenken. Ich habe ja ebenfalls ein Kind, eine Tochter. Die wollte unbedingt, dass ich ihr den Führerschein für ein Motorrad finanzieren soll, bevor sie den Führerschein fürs Auto macht. Kam ja gar nicht in die Tüte! Viel zu gefährlich, meiner Meinung nach. Ich kann Peters Gedanken durchaus verstehen, kann die Sorge um das Leben seines Sohnes nachempfinden. Finde es aber irgendwie witzig, wie sein Sohn die Auseinandersetzung vermieden, wie er das Problem gelöst hat.
    Das ist das Erste, was er mir von sich erzählt. Er hält sich bedeckt, was seinen Familiennamen angeht, seinen Wohnort, seinen Beruf. Es stört mich nicht, finde ich nicht wichtig. Ich habe keine Telefonnummer von ihm. Er ruft mich an, wenn er absehen kann, dass er Zeit hat. Ich kann also völlig neutral darüber reden, was er mir anvertraut, was ihm wichtig ist, was ihn belastet. Es geht mich nichts an, aber ich kann meine Gedanken mitteilen. Manchmal denke ich in der Zeit, in der ich ihn nicht sehe, darüber nach, was er mir erzählt hat. Wenn er wiederkommt, rollen wir das Thema erneut auf. Ich sage ihm, was ich für wichtig halte. Er findet das gar nicht verwunderlich, sondern ist dankbar für nahezu jeden Gedanken, den ich habe.
    Es wird zur Gewohnheit, dass er alle 5 - 6 Wochen vorbeikommt. Das fällt mir mit der Zeit auf. Und die Besuche werden zu einer netten Gewohnheit für mich. Als er das erste Mal kommt, ist es Oktober. Im Dezember kommt er und bringt einen Dresdner Christstollen mit. Er hat wohl dort beruflich zu tun gehabt und kennt eine Bäckerei. Dort besorgt er für Leute, die ihm wichtig sind, jedes Jahr Christstollen Das habe ich natürlich nicht gewusst und ehrlich gesagt, ich mache mir nicht so viel aus diesen Christstollen. Aber seine Augen leuchten so, als er mir diesen Stollen überreicht, dass ich es einfach nicht übers Herz bringe, ihm das zu sagen. Ich bedanke mich bei ihm, freue mich und es gibt also Stollen zum Kaffee. Mittlerweile hat Peter sich angewöhnt, manchmal eine Flasche Sekt mitzubringen, sodass wir also nach dem Kaffee auch noch Sekt trinken. Alles ganz harmlos. Wir ändern die Welt in Gedanken, in unseren Gesprächen. Oh, wir würden so viel ändern, wenn die Welt nur auf uns hören würde! Er erfährt über meine Ehe, meine Scheidung, mein Leben. Und ich erfahre natürlich ebenso von seinem Leben, seiner Arbeit, seiner Ehe, seinen Kindern. Es geht ganz leicht und ist gerade deshalb vielleicht so gefährlich. Wir merken gar nicht, wie sehr wir einander vertrauen. Was wir alles offenbaren. Hin und wieder ruft er auch mal einfach nur so an. Nur um zu fragen, wie es mir geht. Oder aber, um mir zu erzählen, mit welchen Problemen er zu kämpfen hat. Ich höre immer zu, sage meine Meinung, was ich tun würde und er kann dann für sich entscheiden, ob er meinen Rat annehmen will oder nicht. Er ist mein bester Freund, mein wichtigster Vertrauter - der Mensch, dem ich alles sagen kann, der immer Verständnis hat, Antworten gibt, die nicht nur so daher gesagt sind, sondern überlegt und geordnet.

Kapitel 4

    Die Zeit vergeht und Peter ist zu einem wirklich guten Freund geworden. Er kommt mit erstaunlicher Regelmäßigkeit. Und dann passiert etwas, was mich völlig verblüfft. Wir sitzen wieder mal bei Kaffee und Kuchen, reden, verbessern die Welt, auch wenn die noch immer nichts davon wissen will und ich schaue ihn an und denke

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