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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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nicht zu unserer Versammlung erschienen.« Balendilíns Miene verfinsterte sich. »Das ist nicht die einzige Hürde. Die heißeste Esse, die jemals im Geborgenen Land glomm, stand im Königreich der Fünften. Sie hieß Drachenbrodem und brachte das härteste Metall zum Schmelzen. Doch seit mehr als eintausend Zyklen herrscht dort nun das Tote Land.« Er bedeckte das Gesicht mit seinen breiten Händen. »Die Zauberin hatte Recht. Es ist unmöglich.«
    »Nein, ich gebe nicht auf. Rufen wir die Versammlung ein und lassen sie entscheiden«, verlangte Tungdil. »Wir sollten wenigstens zu den Ersten reisen und sie um Hilfe bitten. Danach …« Er verstummte. »Ich werde die alten Schriftrollen durchsehen, vielleicht entdecke ich noch etwas, das uns helfen könnte.«
    »Ich wünsche dir dabei viel Glück.«
    Der Zwerg verließ die Unterkunft, um sich in die Gewölbe mit dem gesammelten Wissen der Zweiten zu begeben. Nach dem Freudentaumel folgte die schmerzhafte Ernüchterung, trotz der neuen Erkenntnisse kaum gegen den Untergang aufbegehren zu können.
    Nein. Ich gebe nicht auf. Gerade die Aussichtslosigkeit ihrer Lage rief Tungdils Trotz hervor.
    Mit der Eigensinnigkeit und Hartnäckigkeit, die seinem Volk zu Eigen war, machte er sich daran, die Schriften des Stammes zu lesen. Tungdil schwor, nicht eher in seinen Bemühungen nachzulassen, bis er einen Ausweg fand.
     
    *
     
    Emsig schleppte Tungdil die alten Bücher, Pergamentrollen und Steintafeln durch die herausgemeißelten Gewölbe, um sie auf einem Tisch zu stapeln, wo er sie in Ruhe studieren konnte.
    Lot-Ionan muss geahnt haben, dass ich eines Tages all das Wissen benötigen würde. Manche der Schriftstücke hielten der Berührung des Zwerges nicht mehr Stand, sie rissen ein, brachen oder zerfielen gar. Da lobte er sich die Marmorplatten, die Ewigkeiten überdauerten, wenn man sie nicht fallen ließ.
    Nachdem er etliches gelesen hatte, fand er die vagen Aussagen Balendilíns bestätigt. Es gab wohl auch auf der anderen Seite des Gebirges Zwerge, die »Untergründige« genannt wurden. Ob Vraccas sie einst geschaffen hatte, wusste er nicht zu sagen, aber sie schienen seinem Volk sehr ähnlich zu sein, verstanden sich aufs meisterliche Schmieden und teilten die Liebe zur Esse und zur Glut.
    Am vierten Umlauf erkundete er das Geheimnis der Feuerung von Drachenbrodem, und seine Zuversicht, die er sich bis dahin tapfer bewahrt hatte, sank.
    Die Fünften hatten dem Großen Drachen Branbausíl, der einst im Grauen Gebirge gelebt hatte, seine weiße Flamme abgerungen und damit ihre Esse entzündet, ehe sie ihn getötet und seinen Hort erobert hatten. Sein Weibchen, Argamas, war vor den Zwergen in den Feuersee geflüchtet, ein kleines Meer aus flüssigem, brodelndem Stein tief im Inneren des Reiches, und seither nie wieder zum Vorschein gekommen.
    Mit Drachenbrodem war es den Schmieden gelungen, Hitze von nie gekannter Intensität zu erzeugen und Metalle miteinander zu verbinden, die als nicht schmelzbar galten. Selbst das schwarze Tionium, das von Gott Tion erschaffen worden war, hatte sich dem Drachenbrodem ergeben und sich mit dem reinen, weißen Palandium der Göttin Palandiell vereinen müssen.
    Spätere Aufzeichnungen berichteten davon, dass die Glut mit dem Untergang des Reichs der Fünften geschwunden war; die Albae und anderen Geschöpfe Tions hatten mit dem seltsamen weißen Feuer nichts anzufangen gewusst und es gelöscht.
    Tungdils einzige Hoffnung stützte sich auf das Weibchen des Drachen, die den Äxten der Fünften entkommen war. Von ihr benötigten sie das Feuer und von den Ersten den Schmied, um die Feuerklinge gegen Nôd’onn herzustellen.
    »Das wird eine neuerliche Reise«, seufzte er. Zu den Ersten und von dort geradewegs ins verlorene Reich der Fünften, mitten ins Herz des Toten Landes. Aber wie soll ich dorthin gelangen?
    Diese Frage stellte er auch Gundrabur und Balendilín, mit denen er sich in der Halle bei einem Humpen Bier traf, um von seinen Entdeckungen zu berichten; die Zwerge wechselten schnelle Blicke.
    »Es gibt einen Weg«, eröffnete ihm der Großkönig. »Es ist ein Geheimnis, das in all den Zyklen in Vergessenheit geriet und das mir mein Vorgänger anvertraute.« Er entzündete eine Pfeife und paffte schmatzend. »Es stammt aus der glorreichen Vergangenheit unseres Volkes. In jenen glücklichen Tagen bedeutete das Reisen keine besondere Anstrengung. Die Zwerge nutzten unterirdische Tunnel, die kreuz und quer unter dem Geborgenen Land

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