Die Zwerge
kann es nicht sein, sonst regtest du dich nicht so auf«, bemerkte Tungdil spitz und hörte wieder verhaltene Lacher. Lot-Ionan wäre stolz auf ihn, auch wenn das Bier seine Zunge gefährlich lockerte. Ich muss Acht geben, sagte er sich.
Gundrabur hatte genug gehört. Er hob seinen Hammer, das schwere Ende krachte gegen die Marmorplatten. »Genug! Der Rat hat die Worte vernommen und muss nun eine Entscheidung fällen. Wer von euch Gandogar Silberbart aus dem Clan der Silberbärte, König der Vierten, als meinen Nachfolger auf dem Thron des Großkönigs sehen möchte, der hebe die Axt.«
Die Augen Tungdils wurden groß, als er die emporgereckten Waffen sah. Die Anhängerzahl des Herrschers über die Vierten war auf gerade einmal zwei Drittel geschrumpft, und bei der Gegenprobe hoben sich deutlich mehr Äxte für den Außenseiter als angenommen. Balendilín nickte ihm anerkennend zu.
Doch am Ausgang der Abstimmung änderte sein Achtungserfolg nichts, die Mehrheit wollte Gandogar und damit den Krieg. Bislipur richtete sich zu seiner vollen Größe auf. Er sah sich seinem Ziel ganz nahe und zeigte seine Zufriedenheit.
»So wäre König Gandogar der nächste Großkönig«, sagte Gundrabur fest, »wenn ich ihn für geeignet hielte. Aber ich, der amtierende Großkönig, spreche ihm die Tauglichkeit wegen seines Unverständnisses ab, mit dem er die Stämme und Clans in den Untergang zu führen gedenkt. Stattdessen schlage ich Tungdil als meinen Erben vor. Finde ich Unterstützung bei den Abgesandten der Stämme?«
Fassungslos sahen Gandogar und Bislipur mit an, wie sich die Axtköpfe von einem Drittel des Rates hoben und dem Großkönig die notwendige Menge verschafften.
Gundrabur schmetterte den Hammer wieder auf den Boden. »Dann ist es beschlossen, dass die beiden Bewerber sich in einem Wettstreit messen, damit ihre Fertigkeiten entscheiden. Jeder von ihnen schlägt eine Aufgabe vor. Zwei weitere kommen aus der Versammlung, die fünfte wird ausgelost. In sieben Sonnenumläufen werden sie beginnen«, verkündete er feierlich. »Die Versammlung ist beendet.«
*
Tungdil wandelte wie benommen durch das kleine Spalier von Zwergen, die ihm auf die Schulter klopften und ihm Glück sowie den Segen von Vraccas wünschten. Die unterschiedlichsten Gesichter, Bärte und Rüstungen tauchten wie aus einem Nebel vor ihm auf und verschwanden wieder, während das ungewohnt starke Bier und die Begeisterung über sein gutes Abschneiden ihre Wirkung zeigten. Ihm war es gelungen, etliche der Abgesandten von seinem Anliegen zu überzeugen, doch trotz seiner Freude darüber konnte er nicht vergessen, dass sein Erfolg auf einer Lüge aufgebaut war.
Balendilín hatte ihm versprochen, dass er in aller Heimlichkeit Nachforschungen anstellen lassen wollte, woher Tungdil stammte, auch wenn er dem Vorhaben nur wenig Aussichten auf ein echtes Resultat einräumte. Obwohl der Berater es nicht aussprach, so hing immer noch der Verdacht in der Luft, dass Tungdil ein Kind der Dritten vom Stamme Lorimburs sein könnte. Das aber bestritt Tungdil heftig, weil er sich den Zwergen hier sehr verbunden fühlte und kein bisschen Argwohn ihnen gegenüber spürte. Doch darum würden sie sich später kümmern. Nun galt es, Tungdils Kampfkunst weiter zu verbessern, falls Gandogars Vorschlag auf einen kriegerischen Wettstreit hinausliefe. Er selbst wusste noch nicht, was er als Prüfung wählen sollte.
Das Los mit der fünften Disziplin, das als letztes gezogen wurde, blieb ein Quell der Unsicherheit. Jeder von ihnen durfte vier eigene Vorschläge niederschrieben und in den Beutel werfen, und was am Ende gezogen wurde, lag in Vraccas Hand …
Als Tungdil seine Kammer betrat, lagen die Bücher Goréns und der geöffnete Sack mit den Artefakten auf seinem Bett. Andôkai hat die Sachen in Augenschein genommen!
Er sah die Überreste zweier versilberter Karaffen und besah die verschnörkelten Gravuren. Wie schade. Wenn man nur einen Tropfen einer Flüssigkeit hineingab, so stand da geschrieben, füllten sie sich immer wieder von selbst auf. Zwischen dem Glas blinkten die zerbrochenen Überreste eines Handspiegels, der sein bärtiges Gesicht verzerrt reflektierte. Damit habe ich sieben Jahre Unglück. Er nahm eine Scherbe in die Hand und grinste voller Galgenhumor hinein. Als ob es darauf noch ankäme.
Als Nächstes begutachtete er zwei armlange Stücke Holz, die grau und metallisch schimmerten und die er nicht genau bestimmen konnte. Die Maserung verlief
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