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Die Zwerge

Die Zwerge

Titel: Die Zwerge Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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nachhing. Durch die zerstörten Fenster beobachtete Tungdil, dass sich der Schneefall verstärkte.
    Als Furgas und Rodario zurückkehrten, sahen sie aus wie wandelnde Schneemänner. Der Techniker hatte zwei ausgewachsene Karpfen dazu gebracht, in den Haken zu beißen, während der Schauspieler missmutig eine kleine Schleie entschuppte.
    »Ein Pflüger vor den Göttern, aber keine Ahnung vom Fischen haben«, zog ihn Bavragor auf, um sich von den bedrückenden Erinnerungen abzulenken.
    »Ja, die Götter«, meinte Rodario nur und schaute über die verblichenen und von der Feuchtigkeit beschädigten Wandbemalungen. »Da, seht, was aus ihnen wird, wenn man sich nicht um sie kümmert. Sie verblassen und verschwinden, weil sie ohne die Sterblichen keinen Grund haben zu existieren.«
    »Vraccas braucht keinen Grund«, erwiderte Boëndal voller Überzeugung. »Er erschuf sich auch, weil er wollte, und nicht, weil ihn jemand schuf.«
    »Ich kenne die Entstehungslegenden, vielen Dank, und benötige deine Nachhilfe sicherlich nicht, mein Guter«, wehrte der Mime ab und beschäftigte sich weiter mit dem Fisch. »Früher haben wir sie auf der Bühne umgesetzt und Erfolge damit gefeiert. Ich sage es ja immer: Die alten Stoffe sind meistens die besten, auch wenn unsere Nôd’onn-Aufführung aus gegenwärtigem Anlass sehr gut aufgenommen wurde.«
    Das erinnerte Tungdil daran, dass er die Mimen nun endlich nach den Kniffen fragen könnte, die sie im Curiosum anwendeten, um die Illusionen täuschend echt zu gestalten.
    »Wie das geht?« Rodario wies mit dem schmutzigen Messer auf Furgas. »Da sitzt unser Magister technicus.«
    Furgas nahm sich bereits den zweiten Karpfen vor, während sein Freund die Schleie mehr malträtierte als entschuppte. »Ich habe mich viel mit Alchimie beschäftigt. Damit schaffen wir den ganzen Rauch, den wir benötigen«, erklärte er. »Ich kann ihn schwer machen oder leicht, mal rot, mal schwarz. Die Lehre von den Elementen ist faszinierend.«
    Tungdil wusste, dass Lot-Ionan Alchimie unterrichtet hatte, und er kannte verschiedene Zutaten vom Schleppen. »Aber wie ging es, dass die Kerzen alle auf einen Schlag verloschen?«
    »Magie«, wisperte Rodario und zog eine Fratze. »Ich bin in Wahrheit der letzte noch lebende Magus des Geborgenen Landes.« Er näherte sich dem Zwerg, fummelte an seinem Ohr herum und hielt eine Goldmünze in der Hand. »Was sagst du nun?«
    »Sie gehört mir«, antwortete Tungdil und schnappte sie sich, doch ein kurzer Biss darauf genügte, um den Schwindel auffliegen zu lassen. »Blei mit minderwertigem Blattgold«, lautete seine Einschätzung, und er warf die Scheibe zurück. »Dein Zauber taugt nichts.«
    »Ein Taschenspielermagus, mehr ist er nicht«, lachte Boëndal und wies mit dem Mundstück der Pfeife auf ihn.
    Rodario hob den Zeigefinger. »Aber das Entscheidende ist, dass die Zuschauer darauf hereinfallen. Und das taten selbst die kleinen, hässlichen Bogglins. Ich nenne so etwas einen Erfolg.«
    »Also sind eure Kniffe Fingerfertigkeit, Geschwindigkeit und Alchimie?«, fasste Tungdil zusammen.
    Furgas nickte und warf einen kurzen Blick zu der hoch gewachsenen Frau. »Und Schminke«, fügte er hinzu. »Sie macht viele Einbildungen wahr. Narmora verwandelt sich durch sie in eine Albin, vor der sich die jüngeren Spectatores auch schon mal fürchten und zu ihren Eltern flüchten.« Er lachte. »Und wir lieben es natürlich, wenn dergleichen geschieht.«
    »Seid froh, dass der Wahnsinnige nicht in eurem Theater war«, meinte Bavragor finster. »Er hätte die Bühne gestürmt.«
    »Sie sieht wirklich fast aus wie ein Spitzohr«, meinte Boëndal abwesend. »Die Natur hat es nicht gut mit ihr gemeint.«
    Für diese Bemerkung erntete er böse Blicke von Narmora und ein breites Grinsen der Männer. Tungdil und Bavragor mussten so laut lachen, dass Goїmgar aufschreckte und hinter seinem Schild hervorschaute.
    »Oh, verzeih, ich habe es nicht so gemeint«, entschuldigte sich Boëndal schnell, und man sah ihm die Verlegenheit an.
    »Vielleicht bin ich ja eine Albin und bringe euch heute Nacht einen Albtraum?«, erwiderte Narmora mit einem erbosten Funkeln in den fast schwarzen Augen. »Wundert euch nicht, wenn ihr schreiend erwacht.« Sie stand auf, richtete ihr Kopftuch und verließ die schützende Ruine. Sogleich verschmolz sie mit der Dunkelheit.
    »Ihr Götter, ist sie gut in ihrer Rolle!«, rief Rodario entzückt. »Sie glänzt ganz ausgezeichnet darin, findet ihr nicht auch?

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